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Kika/Leiner will nächste Woche Insolvenzverfahren anmelden

Kika/Leiner will in kommender Woche Insolvenzverfahren anmelden.
Kika/Leiner will in kommender Woche Insolvenzverfahren anmelden. ©APA/EVA MANHART (Symbolbild)
Nur wenige Tage nach dem Verkauf des Kika/Leiner-Geschäfts durch die Signa Retail Gruppe von Rene Benko an Hermann Wieser, einen Handelsmanager, ist nun eine Insolvenz geplant.
Insolvenz-Option wird geprüft

"Nach Prüfung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens wird die Restrukturierung des Unternehmens über ein Sanierungsverfahren stattfinden, das kommende Woche angemeldet wird", hieß es von Kika/Leiner am Mittwoch in einer Aussendung. Der VKI rät, Gutscheine rasch einzulösen.

"Bei Gutscheinen würde ich dringend empfehlen, die jetzt noch schnell einzulösen, und zwar bei Dingen, die man gleich mitnehmen kann", sagte VKI-Chefjurist Thomas Hirmke am Mittwoch in der ORF-Sendung "Aktuell nach eins". Nach Anmeldung der Insolvenz müssten Gutschein-Besitzer diesen als Forderung im Insolvenzverfahren anmelden und dies zahle sich meist nicht aus. Hirmke rät auch dazu, keine Anzahlungen mehr zu tätigen.

Die Möbelkette versucht per E-Mail verunsicherte Kunden zu beruhigen. "Daher ist es selbstverständlich, dass wir Ihnen alle Ihre geleisteten Anzahlungen und die erworbenen Gutscheine garantieren, die weiterhin in den kika/Leiner-Filialen eingelöst werden können", heißt es in einer Aussendung an Kika-Stammkunden. "Auch Ihre Bonuspunkte bleiben erhalten und alle Ihre Aufträge werden natürlich so ausgeführt, wie wir es vereinbart haben." Kika/Leiner will auch alle bestehenden Aufträge so ausführen, wie es vereinbart wurde.

"Das Boot war nicht für Kika/Leiner gedacht, sondern für was anderes"

Arbeitnehmervertreter übten indes Kritik an Benko. "Er hat immer gesagt wir sind eine Familie. Er ist irgendwie die Vaterfigur. Und wir sind alle in einem Boot", sagte ein Wiener Leiner-Betriebsrat im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radio. Es habe sich gezeigt, dass Benko" kein Familienvater" sei. "Das Boot war nicht für Kika/Leiner gedacht, sondern für was anderes. Er hat uns einfach im Stich gelassen." In den nächsten zwei Wochen will die Gewerkschaft GPA gemeinsam mit der Arbeiterkammer in allen 40 Filialen den Beschäftigten persönlich für Beratungen zur Verfügung stehen. "Kurz vor der Insolvenz hat Benkos Signa-Gruppe das Unternehmen noch verkauft und das als 'sehr gutes Investment' bezeichnet. Übrig bleibt: Benko verdient, der Steuerzahler muss herhalten", kritisierte die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, in einer Aussendung.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und FSG-Chef Rainer Wimmer sprachen am Rande des SPÖ-Präsidiums Dienstagnachmittag wortgleich von einer "Katastrophe". Katzian geht aber davon aus, dass die Beschäftigten bei der Gewerkschaft in guten Händen seien.

Das Maßnahmenpaket zur Rettung des Unternehmens wird laut Kika/Leiner - wie kommuniziert - "unverändert umgesetzt". Es werde wohl ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung, hieß es von einem Kika/Leiner-Sprecher auf APA-Anfrage. Der Insolvenzantrag inklusive Sanierungsplan soll laut "Standard" (online) am Dienstag beim Gericht in St. Pölten gestellt werden. Die Möbelkette hat ihren Firmensitz in der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Am Dienstag hatte der neue Eigentümer des operativen Geschäfts angekündigt, 23 von 40 Standorten per Ende Juli zu schließen und 1.900 von 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen. Auch die Zentralabteilungen und die Verwaltung sollen "erheblich" verkleinert werden.

Kika/Leiner: "Ein wesentlicher Teil wird mit Ende Juli 2023 gekündigt werden"

"Die Kündigungen werden entsprechend den rechtlichen Rahmenbedingungen (Kündigungstermine, -fristen) erfolgen. Ein wesentlicher Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird mit Ende Juli 2023 gekündigt werden", hieß es von Kika/Leiner zur APA.

"Es ist immer tragisch, wenn man seinen Job verliert", sagte AMS-Vorstand Johannes Kopf im ORF-Radio. "Es ist aber eine günstige Zeit, um einen neuen Job zu suchen." Es gebe tausende offene Stellen im Handel. Das AMS stehe aber auch bereit für Qualifizierungsmaßnahmen, etwa im Bereich Pflege, Digitalisierung und Green Jobs, so der AMS-Chef.

Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) sagte im EU-Unterausschuss im Nationalrat, dass er sofort nach Bekanntwerden der neuen Entwicklungen mit dem AMS Kontakt aufgenommen habe. Wichtig sei es, das Frühwarnsystem zu aktivieren und alles zu tun, damit Betroffene rasch wieder in Beschäftigung gebracht werden können.

Kika/Leiner will in Zusammenarbeit Jobplattform einrichten

Kika/Leiner will in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Handel und Gewerbe wie OBI, Billa, Bipa, Penny, Tedi, Müller, Deichmann, Action und NKD eine Jobplattform einrichten, damit allen vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeitern ein Jobangebot gemacht wird. Von den freigewordenen Fachkräften profitieren wollen auch die Supermarktketten Spar, Rewe (u.a. Billa) und Lidl. Sie unterbreiteten bereits allen gekündigten Kika/Leiner-Mitarbeitern per Aussendung ein Jobangebot. Interessierte könnten sich jederzeit bewerben. Bauhaus will Kika/Leiner-Mitarbeiter mit einer zusätzlichen 6. Urlaubswoche ködern. Auch die Post bietet den vom Stellenabbau Betroffenen neue Jobs an.

Und sogar die Polizei zeigte Interesse: Der oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl forderte die betroffenen Beschäftigten auf, sich bei der Exekutive zu bewerben: "Es gibt auch viel bessere Dienstgeber, nämlich die Polizei". Er verwies darauf, dass es nun ein verkürztes Aufnahmeverfahren gebe und die sportlichen Limits mittlerweile nicht mehr sofort erbracht werden müssten - im Herbst starte der nächste Ausbildungsjahrgang.

Das Land Burgenland sicherte in einer Aussendung den Betroffenen in Eisenstadt und Unterwart Unterstützung zu. Man werde "alles unternehmen, um die Betroffenen zu unterstützen - sei es mit Maßnahmen zur Integration am Arbeitsmarkt oder im Falle einer Insolvenz über eine Insolvenzstiftung", erklärte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und nahm gleichzeitig die Bundesregierung in die Pflicht, der Entwicklung gegenzusteuern.

In Tirol sollen die drei Kika-Filialen in Lienz, Wörgl und Imst geschlossen werden. 170 Mitarbeiter sind betroffen sei. Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) erklärte am Freitag, dass man sich mit den Sozialpartnern, dem AMS sowie auch der Arbeitsmarktförderungs GmbH (amg-tirol) abstimme, welche Maßnahmen getroffen werden können, um die Betroffenen bestmöglich zu unterstützen. "Wir werden allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Hilfe brauchen, unter die Arme greifen. Das kann ich jetzt schon versprechen", so Mattle.

Einen Gewinn hatte das Möbelgeschäft für Signa in den vergangenen fünf Jahren nicht abgeworfen. Die Möbelkette sei mit einem operativen Verlust in Höhe von mehr als 150 Mio. Euro übernommen worden und um die laufenden Kosten zu decken, betrage der Liquiditätsbedarf bei sinkenden Umsätzen monatlich circa 8 bis 10 Mio. Euro, erklärte der neue Eigentümer Wieser.

Die Verbindlichkeiten (Passiva) von Kika/Leiner sollen sich auf rund 300 Mio. Euro belaufen, schreibt der "Standard" (Mittwochausgabe) ohne Angabe von Quellen. Das vorhandene Vermögen (Aktiva) beträgt laut "Standard" (online) rund 150 Mio. Euro.

Über die Jahre kumulierte sich bis Ende September 2021 ein Bilanzverlust bei Kika und Leiner von 106 Mio. Euro bzw. 83,7 Mio. Euro, geht aus dem Firmenbuch (Wirtschafts-Compass) hervor. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Kika/Leiner wechselte mehrfach Besitzer

In den vergangenen zehn Jahren wechselte Kika/Leiner mehrfach den Besitzer, der Marktanteil ging laut dem Marktforscher Branchenradar von 22 Prozent auf zuletzt 18 Prozent zurück. Im Jahr 2013 erwarb die südafrikanische Steinhoff Gruppe die Möbelkette und verkaufte dann das Unternehmen wieder, um eine Insolvenz der Möbelkette zu verhindern an die Signa Gruppe rund um Benko. Im Rahmen des damaligen Sanierungskurses von Kika/Leiner wurde die Filialzahl in Österreich reduziert und das Osteuropa-Geschäft sowie einige nicht strategische Immobilien in Österreich verkauft. Den Turnaround schaffte Signa bei Kika/Leiner nicht. Das Immobilien-"Filetstück" der Möbelkette in der Wiener Mariahilfer Straße kaufte Signa bereits Ende 2017 von Steinhoff um 60 Mio. Euro und errichtet dort derzeit das Luxus-Kaufhaus "Lamarr".

Für den Abwärtstrend bei Kika/Leiner gibt es laut dem Branchenradar-Chef Andreas Kreutzer mehrere Gründe. Kika/Leiner sei aufgrund der niedrigeren Filialanzahl immer im Nachteil gegenüber XXXLutz und seinen Diskontern Mömax und Möbelix gewesen. Aufgrund seines hohen Abnahmevolumens könne XXXLutz und auch Ikea eine Eigenmarken-Strategie fahren. "Da war und ist Kika und Leiner immer im Nachteil", so der Marktforscher zur APA. Durch die geplante Reduktion der Kika/Leiner-Filialen von 40 auf 17 werde dies "nun nicht besser". Außerdem haben sich laut Kreutzer in den vergangenen zehn Jahren die Ausgaben für Möbel und Einrichtung in Österreich "eher mau" entwickelt. Ausnahme war nur der kurze Umsatzboom am Anfang der Coronapandemie mit den Lockdowns. Die Aussichten für den Möbelhandel seien auch "in nächsten zwei bis drei Jahren nicht so gut". Kreutzer erwartet, dass bei Kika/Leiner "nur eine Marke überbleiben wird". Ikea und XXXLutz seien wohl "primär" die Umsatzgewinner der geplanten massiven Filialreduktion des Mitbewerbers. Mittelständische Möbelhändler würden "eher nicht" profitieren.

(APA/Red)

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