AA

Kiew: Timoschenko hat Parlament in der Tasche

Verdächtige Harmonie in Kiew: Das Parlament stimmt über Timoschenko ab, und die attraktive Politikerin scheint die gesamte Männerwelt in der Obersten Rada um den Finger zu wickeln. Doch die Bürde ist schwer.

Nach dem Machtwechsel in der Ukraine will der neue Staatspräsident Viktor Juschtschenko an diesem Donnerstag seinen ersten innenpolitischen Erfolg feiern. Das Parlament ist aufgerufen, die bisherige Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko als Regierungschefin zu bestätigen. Die notwendige Mehrheit gilt als sicher, auch wenn in den eigenen Reihen Unmut über die Bevorzugung Timoschenkos herrscht. Aus dem Lager des politischen Gegners Viktor Janukowitsch kam dagegen zuletzt kein böses Wort über die vor Wochen noch heftigst kritisierte Radikalreformerin.

Die attraktive Politikerin Timoschenko (44) scheint in diesen Tagen die gesamte Männerwelt in der Obersten Rada um den Finger zu wickeln. Timoschenko sei eine pragmatische Führungsperson, die wisse, was sie wolle, schwärmten Abgeordnete der Gegenseite. Die jüngste Begegnung mit ihr sei „konstruktiv und interessant“ gewesen, hieß es.

Nach Monaten der politischen Konfrontation mit Wahlfälschungen, Massenprotesten und Regierungsblockaden reibt sich mancher Beobachter verwundert die Augen. Es spricht aber wenig dafür, dass der Schmusekurs in der Politik lange anhält. Denn mit Timoschenko an der Spitze der Regierung stehen die Zeichen auf Sturm. „Die neue Staatsmacht kann Timoschenkos explosive Energie gut gebrauchen. Sie soll die Oligarchen enteignen und ausreichend Geld mit der Rohstoffindustrie machen, damit Juschtschenkos soziale Versprechen finanziert werden können“, schreibt die Kiewer Zeitschrift „Expert“.

Der neuen Staatsführung bleibt nur wenig Zeit, um die nötigen Erfolge zu erzielen. Zum Herbst dieses Jahres oder spätestens im nächsten Frühjahr tritt die Verfassungsreform in Kraft, die die Vollmachten des Präsidenten zu Gunsten von Parlament und Regierung einschränkt. Der Parlamentswahl 2006 kommt große Bedeutung zu.

In den vergangenen Tagen erhielten die Ukrainer einen ersten Vorgeschmack vom Tandem Juschtschenko-Timoschenko. Während der Präsident von einem Auslandstermin zum nächsten eilte, nahm die amtierende Regierungschefin zu Hause das Ruder in die Hand. Bereits vor fünf Jahren hatte Timoschenko als Vize-Regierungschefin ihr Können unter Beweis gestellt, als sie Steuerschlupflöcher für die Oligarchen stopfte und den Staatshaushalt sanierte.

Schnelle Erfolge traut der neue Staatschef nur Timoschenko zu. Kommunisten und Vertreter der alten Staatsmacht haben noch nicht zu einer schlagkräftigen Opposition zusammengefunden. Die Gegner Timoschenkos hoffen darauf, dass sie mit den erwarteten Radikalreformen scheitert und damit auch Präsident Juschtschenko schweren Schaden zufügt.

Wie hart die Bandagen in der ukrainischen Politik sind, weiß Timoschenko aus eigener Erfahrung. Zu Amtszeiten von Leonid Kutschma hatte die Politikerin wegen angeblicher Steuerhinterziehung wochenlang in Untersuchungshaft sitzen müssen. Die russische Justiz hält bis heute einen Haftbefehl gegen sie aufrecht.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Kiew: Timoschenko hat Parlament in der Tasche
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.