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Kiew: Juschtschenko ernennt Ministerpräsidentin

Zeitgleich mit seinem Antrittsbesuch in Moskau hat der neue ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko seine umstrittene politische Weggefährtin Julia Timoschenko zur amtierenden Regierungschefin ernannt.

Juschtschenko habe den Erlass am Montag vor dem Abflug nach Moskau unterzeichnet, meldete die Nachrichtenagentur Interfax in Kiew. Zum neuen Sekretär des Sicherheitsrates ernannte Juschtschenko seinen Wahlkampfgefährten Pjotr Poroschenko.

Mit einem weiteren Erlass löste der neue Präsident das bisherige Präsidialamt auf, das als eine Art Überregierung fungiert hatte. Zu seinem Stabschef im Rang eines Staatssekretärs ernannte er seinen Wahlkampfmanager Alexander Sintschenko.

Die charismatische Timoschenko hatte in der „Orange Revolution“ in der Ukraine wesentlich zum Sieg Juschtschenkos beigetragen. Die Ex-Unternehmerin ist jedoch wegen undurchsichtiger Energiegeschäfte umstritten und wird in Russland wegen Bestechung mit Haftbefehl gesucht. Die Berufung der als radikaldemokratisch geltenden Politikerin könnte allerdings neuerliche Verstimmungen der Ukraine mit Russland auslösen.

Juschtschenko und der russische Staatschef Wladimir Putin versuchten am Montag im Kreml indes einen Neubeginn der Beziehungen nach dem erbitterten Streit um die Präsidentenwahl in der Ukraine. Beide betonten die Notwendigkeit einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ihrer Länder. „Wir zählen sehr darauf, dass die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine sich so weiter entwickeln wie bisher“, sagte Putin. Er verwies darauf, dass er Juschtschenko noch aus dessen Amtszeit als Ministerpräsident gut kenne. „Wir haben immer gesagt, dass Russland unser ewiger strategischer Partner ist“, versicherte Juschtschenko, der erst am Sonntag als Staatschef vereidigt worden war.

Auf den Wahlstreit gingen die beiden Politiker nur noch kurz ein. Putin hatte im Wahlkampf den an Russland orientierten damaligen Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch unterstützt. „Sie wissen, dass Russland in der Ex-Sowjetunion niemals irgendetwas hinter den Kulissen gemacht hat“, sagte Putin jetzt. Der westlich-liberale Juschtschenko betonte die Legitimität seines Wahlsiegs. Er werde mit allen Kompromisse finden, „unabhängig davon, auf welcher Seite sie im Wahlkampf gestanden haben“, versprach er.

Nach seinem Treffen mit Putin wollte Juschtschenko mit dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Alexi II., sprechen. Am Dienstag sollte Juschtschenko zum Europarat nach Straßburg fliegen. Danach standen Reisen nach Polen zur Gedenkveranstaltung in Auschwitz, nach Brüssel und zum Weltwirtschaftsforum nach Davos auf seinem Programm.

Revolutions-Ikone fast am Ziel: Timoschenko soll Regierung leiten

Womöglich kann Julia Timoschenko bald wahr machen, was sie den hunderttausenden Anhängern der „Orange Revolution“ schon vor Wochen versprochen hat. Als Regierungschefin traue sie sich zu, schon in wenigen Monaten „Ordnung in der Ukraine zu schaffen“, sagte die Powerfrau, die am Montag vom neuen Präsidenten Viktor Juschtschenko zur amtierenden Ministerpräsidentin ernannt wurde. Eine Bestätigung durch das Parlament steht allerdings noch aus.

Die 44 Jahre alte Politikerin und Unternehmerin war eine treibende Kraft der „Orange Revolution“. Als Dank für ihren Einsatz soll Juschtschenko ihr den Regierungsposten schon lange versprochen haben. Wo immer die attraktive Frau mit dem traditionellen ukrainischen Flechthaarkranz auftauchte, jubelten ihr die Menschen zu. In Russland ist sie weniger beliebt: Gegen sie läuft ein Verfahren wegen angeblicher Bestechung von Militärs und sie wird per Haftbefehl gesucht.

In den 90er Jahren gehörte Timoschenko zu den Skandalfiguren der ukrainischen Wirtschaft. Mit ihrem Mann betrieb die „Gasprinzessin“ ein florierendes Energie-Importunternehmen mit engen Beziehungen zu Russland. Als Juschtschenko 1999 Ministerpräsident wurde, berief er Timoschenko zu seiner Stellvertreterin mit Verantwortung für den Energiebereich. Tatsächlich räumte sie auf diesem Posten mit genau den unsauberen Praktiken der Branche auf, die ihre Firma vorher auch betrieben haben soll.

Nach ihrer Entlassung beim Regierungswechsel in Kiew 2001 holte diese Vergangenheit sie kurzfristig ein, als sie und ihr Mann einige Wochen lang unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft saßen.

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