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Kiew: Janukowitsch wollte Gewalteinsatz

Während der Proteste der Opposition haben einflussreiche Vertreter des Machtapparates in Kiew nach Angaben der britischen Tageszeitung „Financial Times“ den Präsidenten zum Einsatz von Gewalt gedrängt.

Unter anderen habe der nunmehr beurlaubte Ministerpräsident Viktor Janukowitsch versucht, Präsident Leonid Kutschma zum Einsatz von Soldaten gegen die Demonstranten zu bewegen, berichtete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf Regierungsvertreter in Kiew.

Neben Janukowitsch habe auch der Chef der Präsidialverwaltung, Viktor Medwedschuk, dafür plädiert, mit Gewalt gegen die Anhänger von Oppositionsführer Viktor Juschtschenko vorzugehen. Der scheidende Staatschef habe sich dem Druck jedoch nicht gebeugt, da er um seinen Ruf besorgt gewesen sei. Kutschma habe seine Amtszeit nicht mit Blut an den Händen beenden wollen, berichtete die „FT“.

Janukowitsch wies den Bericht als „falsch“ zurück. Er sei an solchen Diskussionen nicht beteiligt gewesen, sagte er in Kiew. „Wir haben nicht über einen Gewalteinsatz gesprochen, sondern lediglich über die Wiederherstellung der Ordnung“, betonte Janukowitsch.

Die Opposition hatte mit ihren Protesten eine Wiederholung der von Betrugsvorwürfen überschatteten Stichwahl um die Präsidentschaft am 26. Dezember erzwungen. Nach dem umstrittenen Wahlgang vom 21. November war Janukowitsch zunächst zum Sieger über seinen Rivalen Juschtschenko erklärt worden. Internationale Beobachter monierten jedoch massiven Wahlbetrug.

Untersuchungsausschuss nun doch von Giftanschlag überzeugt

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss in Kiew hat seine anfänglichen Zweifel an den Berichten über einen Giftanschlag auf Oppositionsführer Viktor Juschtschenko aufgegeben. „Ich kann die Tatsache, dass Juschtschenko vergiftet wurde, nicht leugnen. Ich vertraue der Diagnose der Ärzte“, sagte der Ausschussvorsitzende Wolodimir Siwkowitsch am Dienstag in Kiew. Am Montag war er von der russischen Nachrichtenagentur Interfax noch mit den Worten zitiert worden, er halte die Diagnose für „verfrüht“; auch sei sie keinesfalls als Beweis zu werten.

Siwkowitschs Stellvertreter Serhij Schewtschuk sagte nach den Beratungen des Ausschusses, es stehe außer Zweifel, dass Juschtschenko Opfer eines Giftanschlags geworden sei. Jetzt müsse aber noch geklärt werden, „wie er vergiftet wurde, ob durch eine chemische Substanz oder mehrere“.

Nach Angaben von Juschtschenkos Ärzten im Wiener Privatspital Rudolfinerhaus war der Oppositionsführer Anfang September mit Dioxin vergiftet worden. Alles deute auf ein „Fremdverschulden“ hin. Laut Siwkowitsch wird der Ausschuss bei seinen Untersuchungen eng mit der Generalstaatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Seine Ergebnisse werde er nach der Wiederholung der Präsidentenstichwahl am 26. Dezember veröffentlichen. Allgemein wird bei der Nachwahl mit einem Sieg Juschtschenkos gerechnet.

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