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Kiew: „Regierung plante politischen Mord“

Der ukrainische Oppositionspolitiker Viktor Juschtschenko hat die Regierung am Donnerstag erstmals direkt für seine Vergiftung verantwortlich gemacht. Zudem nannte er Zeit und Ort der mutmaßlichen Tat:

Am 5. September habe er mit Geheimdienstchef Ihor Smeschko und dessen Stellvertreter Wolodimir Satsiuk zu Abend gegessen, sagte er der Nachrichtenagentur AP. „Dies war der einzige Ort, an dem niemand aus meinem Team anwesend war und an dem keine Vorsichtsmaßnahmen wegen des Essens getroffen wurden.“

Es habe sich um den Versuch eines politischen Mordes gehandelt, vorbereitet von den Behörden, sagte Juschtschenko weiter. Sein Wahlkampfteam hatte schon zuvor das Dinner als mögliches Datum der Vergiftung identifiziert. Juschtschenko selbst äußerte sich bislang nicht dazu. Den Ärzten in Wien berichtete er von Kopf- und Magenschmerzen, die unmittelbar nach dem Abendessen aufgetreten seien.

Die Ermittlungsbehörden untersuchten den Fall, sagte Juschtschenko: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass innerhalb einiger Tage oder Wochen die Spur zu den Behörden führt, zu bestimmten Vertretern der Regierung“. Alle Fragen würden geklärt werden: „Wer verabreichte das Gift, wer war beteiligt, wer lieferte das Gift, wer segnete alles auf den verschiedenen Regierungsebenen ab?“

Weiter forderte Juschtschenko eine Bestrafung von Regionalpolitikern im Osten des Landes, die sich für eine Abspaltung des überwiegend russischsprachigen Gebietes ausgesprochen hätten. Auf einer Pressekonferenz warnte er vor Unruhen: „Ich weiß, dass derzeit in den östlichen Regionen Provokationen vorbereitet werden“. Es gebe keine 100-prozentige Garantie, dass die Stichwahl am 26. Dezember stattfinden werde, sein Kontrahent Viktor Janukowitsch wolle die „zivile Ordnung des Landes destabilisieren“. Juschtschenko fügte hinzu: „Er wird niemals den Sieg erringen.“

Der Oppositionspolitiker hatte am Mittwochabend auf seiner Website angekündigt, sich im Wahlkampf auf den Osten des Landes zu konzentrieren. Von Freitag an werde er die Industriezentren Charkow und Saporhisia besuchen, um Geschäftsleuten seine Ansichten zur Wirtschaftspolitik zu erläutern.

Die Oligarchen im Osten haben Ängste geschürt, dass Juschtschenko die bisher weitgehend abgeschottete Schwerindustrie der Region durch eine Öffnung gen Westen dem Wettbewerb aussetzen werde. Das im Osten gelegene Industriezentrum Donezk ist die Heimatstadt von Ministerpräsident Janukowitsch. Ihm werfen Kritiker allzu enge Verbindungen mit den dortigen Industrie-Baronen vor. Janukowitsch wird vom Kohle- und Stahlmagnaten Rinat Achmetow unterstützt.

Juschtschenko wird vor allem von denjenigen unterstützt, die auf den freien Handel setzen, dies ist beispielsweise der Textil-Magnat und Parlamentarier Petro Poroschenko. Die Anhänger von Juschtschenko haben in dieser Woche eine Kampagne begonnen, mit der sie die so genannte Orangene Revolution auch in 14 Provinzregionen tragen wollen. Vor Odessa im Süden des Landes wurde ihr Konvoi am Mittwoch von dutzenden Anhängern Janukowitschs blockiert, die Polizei machte den Weg aber frei, wie die Nachrichtenagentur Unian berichtete.

Bereits knapp 6500 internationale Wahlbeobachter in Kiew gemeldet

Vor der Wiederholung der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Ukraine zeichnet sich eine äußerst hohe Beteiligung ausländischer Wahlbeobachter ab. Eineinhalb Wochen vor dem Wahltermin am 26. Dezember seien bereits knapp 6500 Experten aus dem Ausland registriert worden, teilte die Wahlleitung in Kiew am Donnerstag mit.

Obwohl die Wahl auf den zweiten Weihnachtstag fällt, ist das Interesse in den Staaten der Europäischen Union besonders groß. Polen will mehr als 1000 Fachleute in das Nachbarland Ukraine schicken. Das Auswärtige Amt in Berlin entsendet mindestens 110 Beobachter. Auch aus den USA und Kanada werden zahlreiche Experten erwartet.

Das Oberste Gericht der Ukraine hatte die Stichwahl vom 21. November wegen massiver Fälschungen für ungültig erklärt. In Umfragen liegt der Oppositionspolitiker Viktor Juschtschenko vor dem beurlaubten Regierungschef Viktor Janukowitsch, der zunächst zum offiziellen Wahlsieger erklärt worden war.

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