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Köhler: Koalition soll konstruktiv weiterregieren

Mit Blick auf die Wirtschaftskrise hat der deutsche Bundespräsident Horst Köhler die Koalition aus SPD und CDU/CSU zum konstruktiven Weiterregieren aufgefordert. Es gebe im Vorfeld einer Bundestagswahl Ende September keine "Beurlaubung von der Regierungsverantwortung", sagte er am Dienstag in seiner vierten Berliner Rede in der Hauptstadt.

Die Bevölkerung habe gerade in der Krise den Anspruch darauf, dass die Regierung geschlossen handle und Lösungen entwickle, “die auch übermorgen noch tragfähig” seien: “Die Krise ist keine Kulisse für Schaukämpfe. Sie ist eine Bewährungsprobe für die Demokratie insgesamt in unserem Land.”

Bundesregierung und Bundestag hätten in den vergangenen Monaten aber Handlungsfähigkeit bewiesen und “kurzatmigen Aktionismus” vermieden, spendete Köhler auch Lob. Das Ringen um die beste Lösung gehöre dabei zur Demokratie. Die Deutschen könnten darauf vertrauen: “Die eingeschlagene Richtung stimmt.”

Das deutsche Staatsoberhaupt rief auch zu mehr internationaler Zusammenarbeit auf. “Sicherheit, Wohlstand und Frieden wird es auch in den Industrieländern dauerhaft nur geben, wenn mehr Gerechtigkeit in die Welt kommt”, sagte er. Die Menschheit sitze “in einem Boot”.

Köhler verurteilte die schrankenlose Freiheit der Finanzmärkte und verlangte einen Markt mit Regeln und Moral. “Jetzt erleben wir, dass es der Markt allein nicht richtet. Es braucht einen starken Staat, der dem Markt Regeln setzt und für ihre Durchsetzung sorgt”, so der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF/IMF). Die verunsicherten Bürger bräuchten mehr Information und Erklärung. Man dürfe sich nichts vormachen: “Die kommenden Monate werden sehr hart werden.”

Köhler hielt die traditionelle jährliche Grundsatzrede des deutschen Bundespräsidenten in einer Kirche in Berlin-Mitte unter der Überschrift “Glaubwürdigkeit der Freiheit”. Der Auftritt wurde mit Spannung erwartet, weil sich Köhler am 23. Mai für weitere fünf Amtsjahre zur Wiederwahl stellt. Die wichtigste Gegenkandidatin ist die Politologin Gesine Schwan von der SPD.

Die Tradition der Berliner Rede wurde 1997 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog begründet. Herzog kritisierte in seiner ersten, berühmt gewordenen “Ruck”-Rede Reformstau und mangelnde Aufbruchstimmung in Deutschland in den Folgejahren der Wiedervereinigung. Die Formulierung “Durch Deutschland muss ein Ruck gehen” ging in die Geschichtsbücher ein. In den folgenden Jahren wurde die Berliner Rede nicht vom Staatsoberhaupt selbst, sondern von anderen prominenten Persönlichkeiten wie dem damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan gehalten. Erst Herzogs Nachfolger Johannes Rau griff die Idee wieder auf und hielt fortan selbst jedes Jahr eine Berliner Rede. Mit der Ansprache sollen Denkanstöße gegeben und wichtige gesellschaftliche Grundsatzdebatten behandelt werden. Köhler befasste sich in seiner ersten Berliner Rede 2006 mit den Mängeln des deutschen Bildungssystems. 2007 ging es um die Chancen und Risiken der Globalisierung, 2008 um die Notwendigkeit weiterer Reformen.

Im Vorwahlkampf gibt es zunehmend Konfrontationen zwischen SPD und Union. So gibt es Streit in der Großen Koalition über die Einführung eines Mindestlohns für Zeitarbeiter. Auch hat sich die Regierung weiterhin nicht auf einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steuerflucht verständigen können. Der Entwurf stehe nicht auf der Tagesordnung des Kabinetts am Mittwoch, sagte ein Regierungssprecher am Dienstag. Der Beschluss war wegen Streits innerhalb der Koalition bereits zuvor verschoben worden. Im Kern sieht der Entwurf vor, dass Steuerpflichtige, die ein Konto in einer Steueroase haben, dem Finanzamt umfassend Auskunft geben müssen.

SPD-Chef Franz Müntefering hatte der CDU/CSU vergangene Woche “Krach” angedroht, falls das Gesetz in dieser Woche erneut nicht verabschiedet würde. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte er mangelnde Konsequenz im Kampf gegen Steuerhinterziehung vorgeworfen. Die Union kritisiert, mit dem Entwurf würden ehrliche Bürger vom Fiskus unter einen Generalverdacht gestellt. Die Forderung der FDP, die Bundestagswahl auf Juni vorzuziehen, haben SPD und CDU/CSU zurückgewiesen.

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