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Keine Spur von zwei vermissten Arktisforschern

Zwei niederländische Forscher sind in der kanadischen Arktis bei Untersuchungen zur Erderwärmung verschollen und wohl gestorben. Vermutlich sind sie im eisigen Wasser ertrunken. Nur ihr Hund Kimnik wurde gerettet.


“Wir sind völlig erschöpft, aber es war ein guter Tag”, hatte Marc Cornelissen in seiner letzten Audio-Botschaft an das Hauptquartier der niederländischen Forschungsorganisation Cold Facts berichtet. Im arktischen Norden Kanadas sei es sehr warm. “Ich bin hier in meiner Unterwäsche Ski gelaufen”, hielt der 46-Jährige am 27. April fest.

Am nächsten Tag wollte der Niederländer mit seinem Landsmann Philip de Roo weiter in Richtung Norden: “Ich glaube, wir haben dünnes Eis vor uns. Das ist sehr interessant.” Das Schmelzen des Eises war das große Thema der Forscher. Und jetzt war es wohl tödlich für die beiden Männer.

Nur Kimnik überlebte. Die Husky-Hündin hatte Cornelissen und De Roo auf dem Weg durchs Eis begleitet. Jeder der beiden Männer bewegte sich auf Skiern vorwärts, jeder zog einen schwimmfähigen Schlitten mit Material hinter sich. Kimniks Aufgabe war es, die Eisbären auf Distanz zu halten. Der Hund gehörte einem Ranger aus Resolute Bay auf der Cornwallis-Insel, dem Ausgangspunkt der beiden Männer. Kimnik blieb auf dem Eis sitzen, als das vermutete Unglück geschah.

In der Nacht zum 29. April wurde ein automatischer Notruf ausgelöst. Das Signal übermittelte automatisch die Position des Senders, musste aber manuell ausgelöst werden. “Einer der beiden muss noch gelebt haben, als der Notruf gesendet wurde”, sagt Cold-Facts-Sprecherin Marielle Feenstra in Amsterdam.

Wenig später kreiste ein erstes kanadisches Suchflugzeug über dem Eis. Einer der Schlitten trieb im Wasser, zusammen mit Expeditionsausrüstung. Der andere Schlitten stand zum Teil ausgepackt auf dem Eis. Von dort führten Fußspuren bis an die Kante, an der das Eis abbricht. Fußspuren, die aus dem Eis herausführen, gab es keine.

Neben den Spuren saß Kimnik. Erst am 2. Mai gelang es einem Hubschrauber, auf dem Eis kurz zu landen und den Hund an Bord zu nehmen. Retter konnte er nicht absetzen: Das Wetter war demnach extrem schlecht, das Eis zu dünn und brüchig. Cold Facts teilte mit, dem Hund gehe es gut, er sei sehr hungrig gewesen: “Wir danken Kimnik für seine hingebungsvolle Arbeit zum Schutz von Marc und Philip.”

Für Wilco van Rooijen, einen arktiserfahrenen Freund der beiden, ist alles ziemlich klar: “Am wahrscheinlichsten ist, dass einer der beiden im Eis eingebrochen ist und der andere ihm helfen wollte. Und der ist dann auch untergegangen.” In diesem Jahr sei es in der Arktis besonders warm gewesen: “Es gibt sehr viel offenes Wasser. Und natürlich wussten die beiden, wie gefährlich das war.”

Cornelissen kannte die Arktis seit 1993. Da unternahm er seine erste Expedition im Norden Kanadas. 1996 scheiterte er beim Versuch, den magnetischen Nordpol zu erreichen, aber ein Jahr später schaffte er es auf Skiern zum geografischen Nordpol. Seither leitete er viele internationale Expeditionen, bei denen es vor allem um eines ging: auf die Folgen der Erderwärmung hinzuweisen und diese besser abschätzen zu können.

Im Jahr 2010 schließlich gründete er Cold Facts mit dem Ziel, Daten über die Erwärmung der Arktis zu sammeln. Wenn Cornelissen nicht im Eis unterwegs war, tourte er um die Welt, um Bürger, Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler zu überzeugen, etwas gegen die Erderwärmung zu tun. “Die Erde geht nicht unter, aber wir machen es uns schwerer, auf ihr zu leben.”

Cornelissen nannte die Nordpolgegend “das schönste Fleckchen der Erde”. Auf dem Weg zu seiner letzten Expedition hatte er geschrieben: “Welch ein Privileg, dazu in der Lage zu sein! Philip und ich gehen los und wir genießen jeden Schritt auf diesem Weg.” Das Eis ließ ihn nicht los. Bis zuletzt. 

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