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Keine "Gewalt-Checklist" an Schulen

Bild: VMH
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Für das frühzeitige Erkennen von möglichen Gewalttaten an Schulen gibt es keine einheitliche "Checklist" - "Alle Bedrohungen sind unterschiedlich".

Dies meinte der Kriminalpsychologe Thomas Müller bei einem Symposium der Österreichischen Gesellschaft für Schule und Recht (ÖGSR) am Dienstag in Wien. Trotzdem gebe es etwa für Pädagogen verschiedene Warnsignale und Risikostufen, durch die Bedrohungen erkannt und eingeordnet werden könnten.

Um tatsächlich Bedrohungsszenarien analysieren zu können, müsse man sich zunächst von falschen Behauptungen lösen, so Müller. Aussagen wie „Gewalt an Schulen ist eine Epidemie“, „Alle Täter bzw. Bedrohungsszenarien sind gleich“, „Die Täter sind immer alleine, introvertiert und vereinsamt“, „Alle Bedrohungen sind racheorientiert“ oder „Der leichte Zugang zu Waffen ist der größte Risikofaktor“ seien falsch.

Zunächst müsse man davon ausgehen, dass alle Bedrohungen unterschiedlich seien und eine Umsetzung unwahrscheinlich. Trotzdem müssten sie aber ernst genommen werden. „Derjenige, der noch nie daran gedacht hat, jemanden umzubringen, ist mir suspekt“, so Müller. „Warnsignale“ bilden Fantasien über Gewalt, die sich später in Gesprächen, Zeichnungen, Beschreibungen, Bedrohungen und schließlich in aktiven Handlungen manifestieren könnten. Von den Fantasien, die Tausende Menschen hätten, bis zur echten Tat sei es aber ein weiter Weg, und niemand könne sagen, ob und wann tatsächlich ein Gewaltakt gesetzt werde.

Auch die Bedrohungen seien unterschiedlich: „Wirklich gefährlich“ seien oft jene Personen, die nichts ankündigten, meinte Müller. Eine Erpressung etwa sei ja ein Ausdruck dafür, dass der Täter etwas Bestimmtes wolle.

Das Risiko nach einer Bedrohung steige, je spezieller, direkter und plausibler diese sei, meinte Müller. Aussagen wie „Ich werde eine Bombe zünden“ seien meist gefährlicher als das indirekte „Wenn ich wollte, könnte ich eine Bombe zünden“. Je spezieller Informationen über einen etwaigen Ort oder das Datum einer möglichen Tat sei, desto höher der Risikofaktor – außer wenn die Angaben unlogisch und unplausibel seien. Dies wiederum senke das Risiko.

„Groteskerweise“ ebenfalls reduziert werde das Gefahrenpotenzial durch die emotionale Betonung einer Bedrohung wie „Ich hasse die Schule/Uni“ oder „Prof. X hat mein Leben ruiniert“. Dies zeige, dass zumindest die Kommunikation aufrecht erhalten werde. Auslösende Stressfaktoren für eine Tat ortete Müller etwa in Problemen in Familie, Beziehung oder bei Prüfungen. Persönliche Voraussetzungen seien dann etwa Fantasien über Gewalt sowie ein Mangel an Kommunikationsfähigkeit und -möglichkeiten.

Als Maßnahme gegen Gewalt an Schulen schlägt Müller den Einsatz von mehr Schulpsychologen vor. Für den US-Kongress habe er mit Kollegen eine Empfehlung ausgearbeitet, in der unter anderem die Einstellung von 1.000 Schulpsychologen statt von 10.000 Polizisten angeregt wurde. Für Österreich schlägt er 30 Stellen für entsprechende Spezialisten vor – anfangen könne man einmal mit ein oder zwei gut ausgebildeten Kriminalpsychologen, die Pädagogen entsprechend schulen könnten.

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