Keine Ergebnisse nach Lebensmittelgipfel: Weitere Gespräche geplant

Der von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) organisierte Lebensmittelgipfel ist am Montag ohne Ergebnisse zu Ende gegangen. "Ich verstehe die Sehnsucht nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen", sagte Rauch nach dem Gipfel vor Journalisten in Wien.
Es werde weitere Beratungen zu den hohen Lebensmittelpreisen geben, etwa von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) mit Experten am Freitag und am Rande des Ministerrats. "Es wird Entscheidungen rasch geben", kündigte Rauch an. Kritik am ergebnislosen Treffen übten die Opposition und Arbeitnehmervertreter. "Die Einschätzungen und Interessenlagen sind durchaus unterschiedlich", so das Fazit von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) nach dem Treffen. Es handle "sich um ein komplexes Problem" und es gebe "verschiedene Ansatzpunkte", sagte Kogler. Es brauche "jedenfalls die verschärfte Anwendung und das Ausschöpfen aller Möglichkeiten des Wettbewerbsrechts".
Modell von Frankreich für Lebensmittelpreise vorgeschlagen
Thema beim Gipfel war unter anderem neben mehr Preistransparenz das von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ins Spiel gebrachte "französische Modell" zur Dämpfung des Lebensmittelpreisanstiegs. In Frankreich haben sich große Lebensmittelhändler und Regierung im März darauf geeinigt, dass Supermärkte auf freiwilliger Basis die Preise für eine Reihe von Produkten des täglichen Bedarfs von April bis Juni "möglichst niedrig" halten.
Der Handelsverband lehnt ein derartiges Modell als "nicht sinnvoll" ab. In Frankreich sei etwa die größte Handelskette nicht dabei, sagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will nach dem Gipfel. "Die Möglichkeit lebt weiter", sagte Kogler zum Thema freiwillige Vereinbarungen im Handel. Es habe noch keine Signale der Handelsketten gegeben, einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen. Die Gewerkschaft lehnt das "französische Modell" ab. Das Modell sei "ein Rohrkrepierer" und "eine reine Marketing-Aktion für einige Lebensmittelhändler", sagte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian nach dem Gipfel mit dem Verweis auf französische Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen.
Lebensmittelgipfel ohne Ergebnis: Maßnahmensuche geht weiter
Im März verteuerten sich Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke in Österreich im Schnitt nach HVPI-Berechnung um 14,6 Prozent. In der Eurozone belief sich der Anstieg auf 17,9 Prozent und in Deutschland auf 22,9 Prozent.

Der Lebensmittelgipfel im Sozialministerium mit über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern dauerte Montagvormittag rund zwei Stunden. Anwesend waren unter anderem Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger, ÖGB-Chef Wolfgang Katzian, Rewe-Österreich-Chef Marcel Haraszti, IHS-Direktor Klaus Neusser, Momentum-Institut-Leiterin Barbara Blaha und der Stellvertretende Direktor der Diakonie Österreich, Martin Schenk. Landwirtschaftsminister Totschnig bezeichnete das Treffen als "sehr konstruktiv". Totschnig wies darauf hin, dass die Bauern seit mehreren Monaten bereits weniger Geld für ihre Produkte erhalten würden, dies aber noch nicht bei den Supermarktpreisen angekommen sei. Er verwies darauf, dass die Teuerung auch die landwirtschaftlichen Familienbetriebe belaste.
Preisdatenbank statt Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel
Die schon seit längerem von SPÖ, ÖGB und FPÖ geforderte temporäre Streichung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel lehnt die ÖVP bisher kategorisch ab. Die Grünen können sich eine derartige Maßnahme für Grundnahrungsmittel nur vorstellen, wenn die Händler die Steuersenkung auch an die Konsumenten weitergeben. Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat stattdessen eine Preisdatenbank für Lebensmittel vorgeschlagen.

Handelsvertreter sehen Schuld für hohe Preise bei Energiekosten
Handelsverband-Geschäftsführer Will und WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik sehen die Schuld für hohe Supermarktpreisen in den Kosten für Energie, Miete, Steuern und nicht in der Branche. Für den Handel sind die Lebensmittelpreise in Deutschland und Österreich nur bedingt vergleichbar. Handelsvertreter verwiesen auf unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, andere Lohnkosten, höhere Transportkosten, mehr regionale und Bio-Lebensmittel in Österreich und eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Auch würden internationale Markenkonzerne in Österreich - einem Markt mit weniger Mengenvolumen - höhere Einstandspreise verlangen als in Deutschland. Landwirtschaftsvertreter verwiesen auch auf die höchste Anzahl an Supermärkten in Österreich im EU-Vergleich pro 100.000 Einwohner. Will forderte erneut einen Energiekostenzuschuss für Händler und warnte vor einem Greißlersterben.
Für Aufsehen hat kürzlich eine Studie von OeNB-und EZB-Ökonomen geführt, die sich Supermarktpreise in Deutschland und Österreich für die Jahre 2008 bis 2018 in einem Radius von 60 Kilometern auf beiden Seiten der Grenze angesehen hat. Im Schnitt waren die Preise auf der österreichischen Seite um 13 Prozent höher. Für den Handel sind die Lebensmittelpreise in Deutschland und Österreich nur bedingt vergleichbar. Handelsvertreter verwiesen auf unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, andere Lohnkosten, höhere Transportkosten, mehr regionale und Bio-Lebensmittel in Österreich und eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Auch würden internationale Markenkonzerne in Österreich - einem Markt mit weniger Mengenvolumen - höhere Einstandspreise verlangen als in Deutschland. Landwirtschaftsvertreter verwiesen auch auf die höchste Anzahl an Supermärkten in Österreich im EU-Vergleich pro 100.000 Einwohner.
Viel Kritik bereits im Vorfeld des Lebensmittelgipfels
Schon im Vorfeld und während der Gespräche löste der Gipfel zahlreiche Reaktionen aus. Kritik kam von der FPÖ, die seitens der Regierung einen Mangel an Konzepten gegen die Inflation ortete. Der Handelsverband und die Wirtschaftskammer (WKÖ) betonten, dass der Handel nicht Verursacher der hohen Preise, sondern selbst davon betroffen sei. Die Industriellenvereinigung (IV) forderte gezielte Anti-Teuerungsmaßnahmen für Hilfsbedürftige, aber warnte davor, Geld mit der "Gießkanne" auszuteilen. Die Landwirtschaftskammer (LKÖ) und der ÖVP-Bauernbund verwiesen darauf, dass die Erzeugerpreise zuletzt gesunken seien und die Bäuerinnen und Bauern daher nicht von den hohen Preisen im Handel profitieren würden.
Die Arbeiterkammer (AK) wiederum verlangte ein aktives Eingreifen in die Preise. Greenpeace forderte eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel. Die Umweltschutzorganisation WWF eine generelle Streichung der Steuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut hob hervor, dass eine Steuersenkung auf Lebensmittel vor allem einkommensschwächere Haushalte entlasten würde. Geht es nach der Armutskonferenz, sollte eine Preisdatenbank eingeführt werden.
Hofer will Butterpreise senken
Die Handelskette Hofer gab indes am Tag des Gipfels bekannt, die Butterpreise zu senken. Laut Handelsverband werden Spar, Rewe (u.a. Billa, Penny), Hofer und Lidl künftig für "die Dauer der Inflationskrise" eine Liste mit den Verkaufspreisen der 20 bis 30 günstigsten Preiseinstiegsprodukte wöchentlich an das Sozialministerium übermitteln.
Weiters Thema beim Gipfel war auch die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Supermärkten, Landwirtschaft und Sozialmärkten, damit mehr armutsbetroffene Menschen mit geretteten Lebensmitteln versorgt werden können. Die sozialen Organisationen kämpfen nach eigenen Angaben derzeit mit einem Rückgang der Lebensmittelspenden bei gleichzeitig steigender Nachfrage.
Kogler, Rauch und Totschnig verwiesen auf Arbeit der Wettbewerbshüter
Kogler, Rauch und Totschnig verwiesen auch auf die Arbeit der Wettbewerbshüter. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) startete im Oktober 2022 eine Branchenuntersuchung im Lebensmittelsektor. Mitte März erging eine Online-Befragung an 1.500 Lieferanten der vier größten österreichischen Lebensmitteleinzelhändler. Weiters schickte die BWB an Lebensmitteleinzelhändler Auskunftsverlangen zu Geschäftsdaten. Neben dem Lebensmittelhandel untersuchen die Wettbewerbshüter auch die vorgelagerte Stufe der Lebensmittelverarbeitung. Die Untersuchung des Lebensmittelsektors dauert laut BWB voraussichtlich bis Herbst 2023. Die drei größten Lebensmitteleinzelhändler, Spar, Rewe und Hofer, nahmen laut dem Marktforscher RegioData zusammen zuletzt etwa 84 Prozent des gesamten Marktes ein. Inkludiert man die Nummer 4 und 5, Lidl und M-Preis, kommt der Lebensmittelhandel auf einen Konzentrationsgrad von 95 Prozent.
(APA/Red)