AA

Keine Einigung in Brüssel

Der EU-Verfassungsgipfel ist am Samstag am Streit über die künftige Stimmverteilung im EU-Ministerrat gescheitert. Österreich wurde mit einer der 10 EU-Agenturen bedacht.

„Zum jetzigen Zeitpunkt stellt die (Regierungs-)Konferenz fest, dass es keine Einigung gibt“, sagte ein Vertreter der italienischen EU-Ratspräsidentschaft am Samstag. Der amtierende Ratspräsident, Italiens Premier Silvio Berlusconi, wird eine Erklärung abgeben, wonach der Gipfel bei der strittigen Frage der Stimmgewichtung nicht weitergekommen ist. Nach einem gemeinsamen Mittagessen sollte die Vertagung offiziell bekannt gegeben werden. Die Gespräche der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sollen nach Angaben aus mehreren Delegationen im kommenden Jahr fortgesetzt werden.


Spanien und Polen lehnten den von Deutschland und Frankreich befürworteten Vorschlag für eine Neugewichtung der Stimmen im EU-Ministerrat ab. Deutschland und Frankreich wollten den Verfassungsentwurf übernehmen, den der EU-Konvent als Kompromiss erarbeitet hatte. Danach ist eine Entscheidung gefallen, wenn eine Mehrheit der EU-Staaten zustimmen, die zugleich mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Polen und Spanien wollen am EU-Vertrag von Nizza festhalten, der beiden Ländern ein größeres Gewicht einräumt als ihnen nach ihrer Bevölkerungszahl zusteht.

Das weitere Vorgehen sollen die Gründungsmitlieder der Gemeinschaft, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg beraten, hieß es auf Vorschlag Luxemburgs. Nach den Angaben weigerte sich Berlusconi, eine Minimallösung vorzuschlagen. Polen hatte den Tag seine harte Linie konsequent verfolgt. Auch Deutschland und Frankreich lenkten nicht ein.


Italien werde drei Optionen für die Lösung des Konflikts um die Stimmgewichtung offiziell beim Mittagessen der 25 Staats- und Regierungschefs vorlegen, sagte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V). Einer sehe eine Anpassung der „doppelten Mehrheit“ auf 50 Prozent der Staaten und 70 Prozent der EU-Bevölkerung vor, um Spanien entgegenzukommen. Dies sei aber für Deutschland und andere EU-Länder „keinesfalls akzeptierbar“ und auch für Österreich eine „zu hohe“ Blockadeschwelle, sagte die Außenministerin. Andererseits bereiteten die EU-Gründerstaaten eine eigenständige Erklärung vor, sagte Ferrero-Waldner.

Das Scheitern des EU-Verfassungsgipfels in Brüssel sei auf die starre Haltung Polens zurückzuführen, verlautete am Samstag aus spanischen Delegationskreisen. Spanien habe zwar prinzipiell ebenfalls an der Stimmengewichtung von Nizza festgehalten, sei aber zu Modifizierungen bereit gewesen. „Polen hat sich aber null bewegt“, hieß es von spanischer Seite.

Auch der Beobachter des Europaparlaments bei den EU-Verfassungsverhandlungen, Klaus Hänsch, gab der polnischen Regierung die Schuld am Scheitern des Brüsseler Gipfels. Warschau habe sich beim Brüsseler Gipfel „keinen Millimeter“ bewegt, sagte Hänsch am Samstag gegenüber Journalisten. „Die politische Klasse dieses Landes ist offenbar noch nicht in der EU angekommen.“

Die Verhandlungen über eine EU-Verfassung werden nach Ansicht des britischen liberalen EU-Abgeordneten Andrew Duff im Februar unter der irischen EU-Präsidentschaft fortgesetzt werden. Konkret erwartete Duff nach dem Scheitern des EU-Gipfels am Samstag in Brüssel neue Verhandlungen „vor den Parlamentswahlen in Spanien“. Er rechne damit, dass dann eine Abänderung der „doppelten Mehrheit“ auf 60/62 (Mitgliedsstaaten/Bevölkerung) zur Diskussion stehen werde, sagte Duff vor Journalisten.

EU-Gipfel beschloss Sitze

Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf  die Sitzverteilung von insgesamt zehn Agenturen geeinigt. Die  zwischen Italien und Finnland umstrittene Lebensmittelagentur geht  nach Parma, wie ein italienischer Sprecher mitteilte. Im Gegenzug geht die Chemikalienagentur nach Helsinki. Die  Polizeiakademie wird in London beheimatet, das Seuchenamt in  Schweden. Für Flugsicherheit wird die Zentrale in Köln sein, für  maritime Sicherheit in Lissabon und für Eisenbahnsicherheit im  französischen Lille.

Eurojust wird nach Den Haag übersiedeln, der Kampf gegen  Computerkriminalität wird von Griechenland aus geleitet. Für  Fischereifragen wird die Zentrale in Spanien sein.


Ganz leer ist Österreich bei der Verteilung der Sitze der EU-Agenturen nicht ausgegangen. Wien wird zwar nicht eine jener Agenturen erhalten, um die man sich beworben hatte. Laut österreichischen Diplomaten wird dafür die bereits in Wien ansässige Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) zur Agentur aufgewertet.

Die Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) wurde 1997 von der EU als unabhängige Institution zum Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in ganz Europa geschaffen. Sie soll der EU und den Mitgliedsstaaten objektive und verlässliche, EU-weit vergleichbare einschlägige Daten zur Verfügung stellen. Die Anti-Rassismus-Behörde wird von Direktorin Beate Winkler geleitet, der ein Verwaltungsrat zur Seite steht.

Kritik zog die Behörde in der jüngsten Vergangenheit auf sich, als sie eine umstrittene Studie über Antisemitismus in den EU-Staaten unter Verschluss zu halten suchte, die u.a. zu dem Schluss kam, dass Antisemitismus bei Muslimen in Europa verbreitet ist.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Keine Einigung in Brüssel
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen