Immer wieder würden ihr junge Mädchen von unangenehmen Situationen und Übergriffen in den Wiener öffentlichen Verkehrsmitteln erzählen, meint Renate Wender. Sie ist Psychologin und arbeitet für die Wiener Mädchen-Beratungsstelle “Sprungbrett”. Mädchen berichten ihr von verbalen, aber auch körperlichen Übergriffen während der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Von anzüglichen Blicken, aber auch Berührungen. “Speziell Mädchen mit Kopftuch berichten von Übergriffen”, so Wender. Viele junge Frauen hätten bei der Fahrt mit Öffis und am Weg zu U-Bahn, Straßenbahn oder Bus ein unangenehmes Gefühl.
Mädchen lernen Selbstbewusstsein im öffentlichen Raum
Aufgrund dieser Erzählungen entstand die Idee, Workshops für 10- bis 15-jährige Mädchen zu veranstalten, in denen Wender ihnen Strategien beibringt, sich im öffentlichen Bereich Raum zu nehmen. Wender arbeitet dabei mit der Methode der Drehungen. Diese Methode baut auf den vorhandenen Kräften des weiblichen Körpers auf. Die Teilnehmerinnen lernen, wie sie mit Blicken und ihrer Körperhaltung Selbstbewusstsein ausstrahlen können. “Ziel ist es, Gewalt zu vermeiden”, meint Wender. Es sei wichtig, um sich herum Grenzen zu setzen. “Es geht darum, wie man sich selbst Raum schaffen kann, ohne dass andere sich dadurch provoziert fühlen”, erklärt Wender. So trainieren die Mädchen, einen ernsten Blick aufzusetzen, anstatt sich ängstlich umzusehen.
Selbstverteidigung für Notsituationen in den Wiener Öffis
Teil der zweitägigen Workshops ist auch das Erlernen einfacher Selbstverteidigungsübungen. Grundsätzlich gehe es jedoch um das Prinzip “Mit Gewalt umgehen, Gewalt um-gehen” so Wender. Im ersten Teil der Workshops werden die Strategien der selbstbewussten Körperhaltung, des “Sich-Raum-Nehmens” trainiert. Im zweiten Teil wird das Erlernte in der Praxis erprobt. Verschiedene, unangenehme Szenarien werden in Rollenspielen geübt. Schließlich können die jungen Teilnehmerinnen das Gelernte bei einer Fahrt mit der U-Bahn in der Realität ausprobieren. Dabei liegt ein Fokus auch darauf, sich Hilfe zu holen. Den Mädchen wird beispielsweise erklärt, dass sie sich nicht in einen leeren Waggon setzen sollen und gezeigt, wo sich die Notrufhebel befinden.
Einsatz des Notrufhebels in den Öffis lernen
Die Mädchen würden immer wieder erzählen, dass ihnen in Notsituationen von anderen Fahrgästen nicht geholfen wurde. In den Workshops wird ihnen deshalb auch Mut gemacht, den Notrufhebel in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu benutzen und klar auszusprechen, was der Angreifer macht. “Dieses klare Sagen, das ist sicher das Schwierigste”, meint Wender. Der Psychologin zufolge würden Teilnehmerinnen berichten, dass ihr Selbstbewusstsein durch die Workshops gestärkt wurde und ihre Selbstermächtigung gewachsen sei.
Die Workshops “Mit den Öffis sicher unterwegs! Mädchen erobern ihre Stadt” werden von “Sprungbrett” im Rahmen von “16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen” des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser veranstaltet. Mehr Informationen auf der Homepage von Sprungbrett.
(Red.)