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"Keine Abschaffung der Noten, sondern Wahlfreiheit"

©VOL.AT/Mayer, Symbolbild: APA
Der Verein “Gemeinsam Zukunft Lernen” hat eine Petition gegen Notenzwang an Schulen gestartet. Simone Flatz, Obfrau des Vereins im VOL.AT-Gespräch über die Hintergründe, Kritik und Alternativen.
Petition gegen Notenzwang
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Gegen Notenzwang an Volksschulen
Ziffernnoten sind nicht kindergerecht

Immer wieder wird in Österreich über das Benotungssystem in Schulen diskutiert. Lange gab es neben den bestehenden Ziffernnoten auch alternative Leistungsbeurteilungen. 2018 folgte die Rückkehr zum Ziffernnotensystem als einzige Beurteilungsform. In wenigen Wochen, wenn das Semsterzeugnis für 2020 vergeben wird, herrscht somit in Österreich auch in Volksschulen wieder Notenzwang. "Wir empfinden das ist ein Rückschritt", gibt Simone Flatz, Obfrau des Vereins "Gemeinsam.Zukunft.Lernen", zu verstehen. Der gemeinnützige Verein aus Lustenau will das so nicht hinnehmen: “Nein zum Notenzwang – Ja zur Wahlfreiheit der Beurteilungsform” – diesen Titel trägt die Petition der Organisation. "Wir möchten wieder, das Lehrpersonen und Eltern gemeinsam autonom bestimmen können, welche Art der Leistungsrückmeldung sie für ihr Kind wollen", so Flatz gegenüber VOL.AT.

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Alternative Beurteilung

"Unser Verein steht für Inklusion und für Reformpädagogik. Da passen Noten nicht dazu", erzählt die Veriensobfrau, die selbst Lehrerin an der Volksschule Lustenau-Kirchdorf ist. Die Leistungen eines halben Jahres in fünf Noten auszudrücken, ist für den Verein ein Ding der Unmöglichkeit. Stattdessen gibt es an der Volksschule etwa halbjährliche Zeugnisgespräche mit Kindern und Eltern, die mitprotokolliert werden. Auch Pensenbücher, in welchen die Leistungen der einzelnen Schüler regelmäßig dokumentiert werden oder Lernzielkataloge zählen zu alternativen Methoden: "Wir wollen keine Abschaffung der Noten - wir wollen eine Wahlfreiheit", verdeutlicht Flatz im VOL.AT-Gespräch.

Alternative in Schule bringen

Wolfgang Türtscher, Obmann der ÖAAB-Lehrer, gab gegenüber VOL.AT an, das Notensystem habe sich bewährt und solle so bleiben, wie es sei. Die Abschaffung des Notenzwangs sei eine Änderung, die Verwirrung und eine Einschränkung der Freiheiten bedeute. Auch diese Kritik kann Flatz verstehen. "Unser Schulsystem baut auf diesem Ziffernnotensystem auf. Diejenigen, die es brauchen, sollen dieses auch haben", erklärt sie. "Wir möchten Alternative in die Schule bringen." Hier zieht sie einen Vergleich zur Gymnaestrada: Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung hätten dort tolle Veranstaltungen in inklusiven Gruppen durchgeführt. "Hätte man bei der Gymnaestrada diese Beurteilung eingeführt, dann hätte sie ihren Zauber verloren." Parallel dazu gebe es aber auch Weltmeisterschaften, bei denen jede Sekunde zähle - auch diese hätten ihre Faszination. "Ich will das eine System nicht gegen das andere ausspielen, aber grundsätzlich: Für das System Schule sollte das Modell Gymnaestrada gelten, bei dem jeder einen Platz hat."

So steht Wolfgang Türtscher zur Petition

Die Gegenposition

Wolfgang Türtscher, Obmann der ÖAAB-Lehrer, sieht die Petition und deren Ziel kritisch. "Das ist eigentlich eine Einschränkung der Freiheiten", erklärt er im VOL.AT-Gespräch. "Der Schüler, die Eltern und die Lehrer haben ein Recht auf eine Note." Eine zusätzliche verbale Benotung mit Ampelsystemen sei allerdings kein Widerspruch. Die Schulnoten gebe es bereits seit Ende des 18 Jahrhunderts. "Die haben sich im Wesentlichen bewährt", so Türtscher. Innerhalb einer Klasse sei es ein guter Gradmesser, insbesondere wenn sich Schüler verbessern. Die Wertschätzung der Schüler für das Notensystem habe zudem in den letzten Jahren zugenommen.

"Sollte so bleiben, wie es ist"

"Die Petition ist dann erfolgreich, wenn sie bei einem Volksbegehren 100.000 Stimmen erreicht", meint Türtscher, der selbst Lehrer am BG Bregenz-Blumenstraße ist. "Wir haben im Parlament derzeit eine Zweidrittelmehrheit für die Notengebung. Also ich erachte die Chancen nicht für besonders gut", gibt der Lehrersprecher zu verstehen. Außerdem: "Ich stelle mir das schwierig vor in einer Volksschule mit zwei dritten Klassen: In der A-Klasse mit Note - in der B-Klasse ohne Note", so der ÖAAB-Obmann weiter. "Da halte ich die Verwirrungen, die entstehen, für größer." Eine Systemänderung habe oft mehr Nachteile als Vorteile. "Es sollte im Wesentlichen so bleiben, wie es ist", schließt Türtscher.

(Red.)

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