Die beiden Kirchenführer tauschten den Bruderkuss aus. Höhepunkt des Kirchengipfels ist neben der Unterzeichnung eines gemeinsamen Dokuments eine Messe am frühen Abend auf dem Petersplatz in Rom. Bei der Messe steht Bartholomaios zunächst neben dem Papst am Altar und hält die Predigt; während der Eucharistiefeier verlässt er den Altarbereich.
Der Papst rief die beiden Kirchen zum Dialog auf, um 950 Jahre nach der Spaltung weitere Schritte zur Wiederherstellung der Einheit zu unternehmen. Dabei müssten sich beide Seiten vom Geist gegenseitigen Verständnisses leiten lassen. Als Geste der Einheit hat Johannes Paul II. dem Ökumenischen Patriarchen die Schlüssel der Kirche San Teodoro auf dem Palatin überreicht, die er den orthodoxen Christen geschenkt hat. Am Donnerstag wird Bartholomaios das restaurierte Gotteshaus aus dem sechsten Jahrhundert, eine der ältesten Kirchen Roms, offiziell in Besitz nehmen.
Unmittelbar vor seiner Rom-Reise hatte Bartholomaios US-Präsident George W. Bush getroffen, der in Istanbul am NATO-Gipfel teilnimmt. Der Ökumenische Patriarch war am Montagabend in Rom eingetroffen, um den Feiern zum Peter-und-Paul-Patronatsfest beizuwohnen. Er gilt als Nachfolger des Apostels Andreas, des Bruders des heiligen Petrus. Das Oberhaupt der Weltorthodoxie war bereits 1995 zu einem offiziellen Besuch im Vatikan. Im Jänner 2002 war es zu einer weiteren Begegnung mit dem Papst anlässlich des interreligiösen Weltfriedenstreffens in Assisi gekommen.
Der heutige Gipfel ist der siebente seit dem historischen Bruderkuss von Paul VI. und Athenagoras I. im Jänner 1964 in Jerusalem und der anschließenden Aufhebung des Bannspruchs, den Rom und Konstantinopel im Jahr 1054 gegeneinander verhängt hatten. Nach drei Begegnungen zwischen Paul VI. und Athenagoras in Jerusalem, Rom und Istanbul hatte Johannes Paul II. 1979 dem Phanar einen Besuch abgestattet, den der 1991 verstorbene Patriarch Dimitrios I. im Dezember 1987 erwiderte.
1979 hatten Johannes Paul II. und Dimitrios I. die gemeinsame katholisch-orthodoxe theologische Dialogkommission eingesetzt, deren Arbeiten nach schweren Irritationen praktisch zum Stillstand gekommen sind. Die letzte Tagung fand 2000 statt. Die orthodoxe Seite wirft dem Vatikan eine aggressive und expansive Missionspolitik in traditionell orthodoxen Ländern und Proselytismus (Abwerben von Gläubigen) vor. Zudem gibt es Konflikte um die im früheren kommunistischen Machtbereich wieder erstandene unierte Kirche des byzantinischen Ritus, in der die Orthodoxen ein Instrument der Unterordnung unter die päpstliche Autorität sehen.
Bei seinem jüngsten offiziellen Besuch in Österreich hatte Bartholomaios I. mehrere Initiativen für einen brüderlichen Dialog über das Verständnis des Papstamtes vorgeschlagen. Bei der Verleihung des theologischen Ehrendoktorats der Grazer Universität war der Patriarch auf die Stellung des Bischofs von Rom in der Gesamtkirche vor der Trennung eingegangen, nämlich als Erster an Ehre unter uns und Vorsitzender der Liebe, wie Patriarch Athenagoras 1967 Paul VI. bei dessen Besuch im Phanar genannt hatte. Der trennende Unterschied liege in der Auffassung über das Papstamt und dessen (1870 proklamierten) Unfehlbarkeitsanspruch. Die orthodoxen Kirchen würden, wie Bartholomaios I. versichert hat, den Bischof von Rom auch heute – so wie in der Zeit der Einheit im ersten Jahrtausend – als Primus inter pares (Erster unter Gleichen) anerkennen, aber eine jurisdiktionelle Gewalt des Papsttums über die gesamte Christenheit sei für sie unannehmbar.