Doch es sind nicht nur die Zahlen, die das Katastrophenjahr 2005 prägen. In Erinnerung bleibt Millionen der Untergang von New Orleans, nachdem der Hurrikan Katrina Ende August mit zerstörerischer Wucht über die Küste der US-Staaten Louisiana, Mississippi und Alabama hereingebrochen war.
Im Gedächtnis bleibt die Ohnmacht der Menschen selbst in hoch industrialisierten Staaten gegenüber den entfesselten Naturgewalten. Mehr als 1.300 Menschen sterben. Der Hurrikan richtet nach Schätzungen der Versicherungen einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 100 Milliarden Euro an. Die Auswirkungen Katrinas und der folgenden Hurrikans sind weltweit zu spüren, denn wegen des Ausfalls der US-Ölförderung im Golf von Mexiko schnellt der Ölpreis auf Rekordhöhe.
Sechs Wochen nach Katrina entwickelt sich Wilma zum stärksten je gemessenen Wirbelsturm und richtet schwere Schäden in Mexiko sowie auf Kuba und in Florida an. Insgesamt zählen die Forscher in der Saison 26 tropische Wirbelstürme, von denen 14 Hurrikanstärke erreichten – so viele, wie noch nie zuvor. Ende November beobachten Klimaforscher ein neues Phänomen: Ein tropischer Wirbelsturm zieht nicht in Richtung Karibik, sondern wandert über den Atlantik und wütet auf den kanarischen Inseln.
In den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl der extremen Naturereignisse verdreifacht. Der entstandene Schaden hat sich versechsfacht, sagt der Katastrophenforscher Janos Bogardi. Das Risiko für die Menschen steige durch die Auswirkungen des Klimawandels und wegen nicht mehr ausreichender Sicherheitsmaßnahmen. Es gibt keine Naturkatastrophen, sondern nur unnatürliche Katastrophen, die entstehen durch das Missvermögen des Menschen, wie er mit extremen Naturereignissen umgeht.
Am 8. Oktober, während Wilma auf die Küsten Mexikos zurast, bebt im Nordwesten Pakistans sowie im benachbarten Indien die Erde. Häuser stürzen ein und begraben Tausende unter sich. Das war in der Region die stärkste Erschütterung seit einhundert Jahren, sagte die Seismologin Monika Sobiesiak vom Geoforschungszentrum Potsdam. Erst nach Tagen gewinnen die Behörden einen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe: Mindestens 87.000 Menschen sterben in den Trümmern der Städte oder in den nur schwer zugänglichen Bergdörfern am Rande des Himalaya. Hunderttausende werden obdachlos und müssen in Zelten oder Wohncontainern untergebracht werden.
Internationale Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen (UN) appellieren an die Weltöffentlichkeit, die Opfer des Bebens zu unterstützen und Geld- sowie Sachspenden zur Verfügung zu stellen. Auf den Konten der Hilfsorganisationen gehen jedoch deutlich weniger Spenden ein als beim Tsunami Ende vorigen Jahres, bei dem fast 300.000 Menschen in den Urlaubsparadiesen Südasien getötet wurden.
Mehr als zwei Monate nach dem Beben sind erst 200 Millionen Euro auf das UN-Konto überwiesen worden, 42 Prozent der Summe, die für die ersten sechs Monate erbeten worden war. Jeden Monat seien etwa 75 Millionen Euro zusätzlich nötig, stellt der UN-Nothilfekoordinator Jan Vandermoortele fest. 400©000 Menschen in den Bergen seien nur mit Hubschraubern zu erreichen. Deshalb brauchen wir Geld, wir brauchen die Infrastruktur auf dem Boden, um die Menschen mit Nahrung zu versorgen. Wenn wir sie nicht mit Hubschraubern erreichen, werden sie verhungern.
2005 wird zum schwarzen Jahr für die Zivilluftfahrt. Mehr als 1.000 Menschen sterben bei Flugzeugunglücken, doppelt so viele wie 2004. Rätselhaft bleibt lange Zeit die Ursache des Absturzes einer Boeing 737-300 am 14. August über Athen, bei dem 121 Menschen ihr Leben verlieren. Vier Monate später stellen Experten fest, dass Techniker bei einer Überprüfung den Hebel für die Luftdruckkontrolle von automatisch auf manuell gestellt hatten. Die Piloten hatten dies vor dem Abflug nicht korrigiert. Kurz nach dem Start seien alle an Bord wegen Sauerstoffmangels ohnmächtig geworden. Die Maschine sei per Auto-Pilot bis Athen geflogen und wegen Treibstoffmangels abgestürzt.
Österreich ist ebenfalls nicht von Katastrophen verschont geblieben: Nach sintflutartigen Regenfällen verschärft sich im August die Hochwassersituation in Westösterreich. Viele Orte sind von der Außenwelt abgeschnitten, Telefonleitungen sind tot und ganze Landzüge überflutet. Verkehrsverbindungen brechen zusammen. Im Ötztal sind nach einer Steinlawine ein Todesopfer und ein Schwerverletzter zu beklagen. Auch im Vorarlberger Reuthe stirbt ein Mann unter einer Mure. Die Überschwemmungen in Tirol, Vorarlberg und der Steiermark verursachen mehrere 100 Mio. Euro Schäden an der heimischen Infrastruktur.