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Kanzlerduell in Deutschland: Steinbrück wirft Merkel Tatenlosigkeit vor

Kanzlerduell in Deutschland: Ungeahntes Echo auf Twitter - über 130.000 Tweets mit Hashtags zum TV-Duell.
Kanzlerduell in Deutschland: Ungeahntes Echo auf Twitter - über 130.000 Tweets mit Hashtags zum TV-Duell. ©EPA
Berlin - Merkel und Steinbrück im TV-Duell - vermutlich der einzige direkte Schlagabtausch im diesjährigen Wahlkampf. Der Herausforderer nutzt die Gelegenheit, um in die Offensive zu gehen. Die Kanzlerin hält dagegen. Sie warnt vor den Steuerplänen von Rot-Grün.

Im einzigen Fernsehduell vor der Bundestagswahl haben sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kandidat Peer Steinbrück einen heftigen Schlagabtausch geliefert.

TV-Duell ohne eindeutigen Sieger

Angesichts des klaren Rückstands der Sozialdemokraten in allen Umfragen ging der Herausforderer in die Offensive. Die schwarz-gelbe Koalition habe Deutschland vier Jahre lang nur im Kreis geführt. Das Land müsse nun endlich aus dem “Stillstand” herauskommen. Merkel wies die Vorwürfe zurück: “Wir haben gezeigt, dass wir es können – und das in einer schwierigen Zeit.” Insgesamt blieb die 90-minütige Debatte jedoch sachlich – und ohne eindeutigen Sieger.

Steinbrücks Chance auf Stimmungswechsel

Das 90-minütige Duell galt für den SPD-Herausforderer als möglicherweise letzte Chance, vor dem 22. September doch noch einen Stimmungswechsel zu schaffen. Immer wieder versuchte Steinbrück, Merkel aus der Reserve zu locken. Mit Blick auf den bisherigen Wahlkampf der Kanzlerin appellierte er an die Wähler: “Lassen Sie sich nicht einlullen!”

Merkel in Umfragen vorne

In allen Umfragen haben die Sozialdemokraten derzeit einen großen Rückstand auf die Union. Merkel liegt auch im Vergleich mit Steinbrück weit vorn.

Wahrer Gewinner des Duells: #schlandkette

“Hätte, hätte, Deutschlandkette”: Der schwarz-gold-rote Halsschmuck von Kanzlerin Angela Merkel dürfte der wahre Sieger des deutschen TV-Duells vom Sonntagabend sein. Noch während Merkel sich mit ihrem Herausforderer Peer Steinbrück herumstritt, wurde im Kurznachrichtendienst Twitter über die #schlandkette intensiv diskutiert.

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Ironisch beklagt wurde unter anderem, dass die Farbreihung eigentlich für Belgien und nicht für Deutschland stehe. Das Schmuckstück bekam sogar einen eigenen Twitter-Account, der binnen kürzester Zeit tausende Anhänger sammelte.

Dabei hatte die Kette am Sonntagabend keineswegs Premiere. Merkel trug sie unter anderem bereits bei ihrer zweiten Wahl zur Kanzlerin im Bundestag 2009. Auch damals hatte der Halsschmuck für Aufsehen gesorgt.

Ungeahntes Echo auf Twitter

Überhaupt erfuhr das TV-Duell in den sozialen Medien ein ungeahntes Echo. Die Social-Media-Forscher von Ipsos zählten mehr als 130.000 Tweets, die mit Hashtags zum TV-Duell verknüpft waren.

Dabei konnte die Kanzlerin laut repräsentativer Studie mit 58 Prozent einen höheren Beitragsanteil in der Twittergemeinde verzeichnen. Ihr Kontrahent Peer Steinbrück aber vereinte deutlich mehr positive Kommentare auf sich.

Zwei Kandidaten, zwei “Welten”

Erwartungsgemäß zeichneten Kanzlerin und Kandidat ein völliges unterschiedliches Bild von der Lage. Merkel sagte, Deutschland habe heute so viele Beschäftigte wie nie zuvor. Der Bund werde 2015 erstmals wieder in der Lage sein, ohne neue Schulden auszukommen. Dann warnte sie: “Wir dürfen nichts tun, was Arbeitsplätze in Gefahr bringt. Die Steuererhöhungspläne der Sozialdemokraten und der Grünen bringen die Gefahr mit, dass wir die gute Ausgangslage, die wir haben, nicht verbessern, sondern verschlechtern.”

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Steinbrück wirbt für Mindestlohn

Steinbrück entgegnete:” Wir wollen nicht die Steuern für alle erhöhen.” Die SPD wolle jedoch die “fünf oberen Prozent” der Einkommensbezieher stärker heranziehen. Wenn er Kanzler würde, hätten die Bundesbürger mehr Geld in der Tasche – durch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, gleiche Bezahlung von Frauen und Männer und eine höhere Kaufkraft. Schwarz-Gelb warf er vor, trotz günstiger Wirtschaftsdaten die Verschuldung weiter erhöht zu haben. Zudem seien Reformen wie die Energiewende oder im Pflegebereich ungewiss.

Im Streit um ein mögliches drittes Rettungspaket für Griechenland ließ die Kanzlerin offen, wie hoch weitere Hilfen ausfallen könnten. Möglicherweise werde es neues Hilfspaket geben, aber niemand kenne die Größenordnung. “Keiner weiß genau, wie sich die Dinge in Griechenland entwickeln”, sagte Merkel. Als Kanzlerin habe sie dafür zu sorgen, dass der Reformdruck aufrechterhalten bleibe. Beraten werde darüber aber erst, wenn es soweit ist.

Herausforderer Steinbrück hielt dagegen, man könne in Europa nicht immer nur die “Konsolidierungskeule” schwingen. Nötig seien ein Aufbauprogramm und Wachstumsimpulse, eine groß angekündigte Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit komme nicht in Gang.

Pkw-Maut: Merkel nimmt eindeutig Stellung

Deutlich wie noch nie schloss Merkel die Einführung einer Pkw-Maut auf Deutschlands Autobahnen aus. Damit ging die CDU-Vorsitzende auf Distanz zum Koalitionspartner CSU: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat eine Maut zur Bedingung für einen neuen Koalitionsvertrag gemacht.

Mehr als 12 Mio. Zuseher

Das Duell wurde von den vier großen Sendern ARD, ZDF, RTL und ProSieben live übertragen. Vermutlich waren am Fernseher und übers Internet deutlich mehr als 12 Millionen Zuschauer dabei.

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Die Parteien setzen in den letzten drei Wochen vor allem darauf, die vielen Wähler zu überzeugen, die derzeit noch unentschlossen sind.

Drittes “Kanzlerduell” für Merkel

Für Merkel war es bereits das dritte “Kanzlerduell”: 2005 verlor sie zwar im Fernsehen gegen den damaligen Regierungschef Gerhard Schröder (SPD), kam aber trotzdem ins Kanzleramt. 2009 ging der Rede-Wettstreit zwischen Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier unentschieden aus.

(dpa/ APA/ red)

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