Kanadas Regierung wegen Folter in Afghanistan unter Druck
Bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz korrigierte der kanadische Generalstabschef Walter Natynczyk am Mittwoch in Ottawa seine Aussage über den Umgang mit einem mutmaßlichen Taliban-Kämpfer vor dem kanadischen Parlament. Entgegen seiner früheren Aussage sei der Verdächtige erst in Gewahrsam der kanadischen Armee gewesen, bevor diese ihn an die afghanische Polizei übergeben habe. Dort sei der Verdächtige geschlagen worden.
Der Verdächtige sei im Jahr 2006 an die afghanische Polizei übergeben worden, “um seinen Abtransport vom Schlachtfeld zu erleichtern”, sagte Natynczyk. “Die afghanische Polizei misshandelte dieses Individuum und unsere Leute haben das Richtige getan und es zurückgeholt”, fügte der Stabschef hinzu. Am Dienstag hatte er den Vorwurf, der Verdächtige sei von der afghanischen Polizei misshandelt worden, zurückgewiesen. Natynczyk zitierte bei seiner korrigierten Aussage aus dem Bericht eines kanadischen Unteroffiziers. “Wir haben dann das Individuum fotografiert, bevor wir es übergeben haben,” heißt es darin. Damit hätten die kanadischen Soldaten sicherstellen wollen dass sie eine mögliche Folter, “wie es in der Vergangenheit passierte”, nachweisen könnten.
Die Aussage des Unteroffiziers zeigt, dass die kanadische Armee von Folter durch die afghanische Polizei wusste und trotzdem den Verdächtigen an sie übergab. Vergangenen Monat hatte die ehemalige Nummer zwei der kanadischen Botschaft in Kabul, der Diplomat Richard Colvin, vor einem Untersuchungsausschuss des kanadischen Parlaments gesagt, es sei wahrscheinlich, “dass alle Afghanen, die wir übergaben, gefoltert wurden”. Hochrangige Vertreter von Armee und Außenministerium hatten die Vermutung als haltlos zurückgewiesen. Schließlich sei veranlasst worden, afghanische Gefängniswachen im Geiste der Menschenrechte auszubilden.
Verteidigungsminister MacKay hatte vor dem Parlament gesagt, Kanada habe sich “niemals mitschuldig gemacht an Folter oder irgendeiner Verletzung internationalen Rechts”. Premierminister Stephen Harper bekräftigte, die kanadische Armee habe “in allen Fällen angemessen” gehandelt. Der Opposition warf er vor, den kanadischen Soldaten “Kriegsverbrechen” zur Last zu legen.
Aufgrund der neuen Sachlage forderte die Opposition am Mittwoch den Rücktritt des Verteidigungsministers. Außerdem müssten die Vorwürfe gegen die Armee öffentlich untersucht werden, sagte der Chef der Liberalen, Michael Ignatieff.