Wegen eines massiven Korruptionsskandals innerhalb seiner regierenden Liberalen Partei, der in der Bevölkerung große Empörung hervorgerufen hat, wittert die Opposition Morgenluft und dringt auf eine Neuwahl. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse hat Martin lange gezögert, nun aber eine für Donnerstag angesetzte Abstimmung über den Haushalt zum Vertrauensvotum erklärt.
Zwei Abgeordnete entscheiden
Belinda Stronach neue Ministerin
Die Konservativen unter Oppositionsführer Stephen Harper und der separatistische Bloc Québecois, die beide gegen den Haushalt stimmen wollen, haben ebenfalls 152 Mandate. Von drei Unabhängigen hat einer angekündigt, dass er die Regierung stützen will. Bei dem Skandal geht es um Werbe- und Sponsorenverträge in Höhe von rund 100 Millionen kanadischen Dollar (60 Millionen Euro), die offiziell der Bekämpfung separatistischer Strömungen in der Provinz Québec dienen sollten.
Geldwäsche und Bestechung?
Er verweist immer wieder darauf, dass er als eine seiner ersten Amtshandlungen 19 der beteiligten Firmen vor Gericht gebracht und eine Untersuchungskommission eingesetzt habe. Dennoch hat der Skandal dem Ansehen der Liberalen immens geschadet, und die Kommission fördert immer neue Abgründe von Missbrauch von Steuergeldern zu Tage, die die Schlagzeilen beherrschen. Das Problem mit Korruption ist, dass sie das Vertrauen nicht nur in die Beteiligten untergräbt, sondern auch in die Institutionen, die sie vertreten, erklärte der Leiter der Organisation Transparency International Canada, Wesley Cragg.
Geschickter Schachzug Martins
Denn gerade in Québec löste der Korruptionsskandal solch massiven Unmut aus, dass die Befürworter einer Souveränität der französischsprachigen Provinz zum ersten Mal seit 1998 wieder die Mehrheit stellen. Entsprechend könnte der Bloc Québecois bei einer Neuwahl mit deutlichen Zugewinnen rechnen. Genau dies wollten die Liberalen mit ihrem Sponsorenprogramm eigentlich verhindern. Die Konservativen haben mit einer Schlammschlacht im Parlament in den vergangenen Wochen ihrerseits potenzielle Wähler verprellt. Mit einem Sitzungsboykott legten sie die parlamentarische Arbeit lahm, um eine Vertrauensabstimmung zu erzwingen.
Konservative verspielen Kredit
Die Konservativen haben inzwischen signalisiert, dass sie das Ergebnis der Abstimmung anerkennen und bei einem Sieg Martins darauf verzichten wollen, in den kommenden Wochen weiter den Sturz der Regierung zu betreiben. Eine deutliche Mehrheit der Kanadier hat sich ohnehin gegen eine Neuwahl zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. Und Martin hat bereits angekündigt, er werde eine Wahl innerhalb von 30 Tagen nach Vorlage des für Ende des Jahres erwarteten Abschlussberichts der Untersuchungskommission anberaumen.
Mögliche Neuwahlen im Juni oder Juli