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Kampf um Bestseller

Im Laufschritt zwischen den Hallen: Alltag auf der Buchmesse. In Frankfurt werden immer noch 70 bis 80 Prozent der Rechte an allen Büchern weltweit gehandelt.

An den Schuhen kann man sie unterscheiden: Die einen tragen Lackschuh oder Stöckel, die anderen Turnschuhe. Es ist ein Rennen um die heißeste Ware der Messe:
Lizenzen. Die im eleganten Schuhwerk haben sie, die in den Tretern jagen ihnen nach. Trotz Internet und E-Mail würden noch immer 70 bis 80 Prozent der Rechte an allen Büchern weltweit in Frankfurt gehandelt, sagt Holger Ehling, Sprecher der Frankfurter Buchmesse, „das heißt nicht, dass gleich Verträge geschlossen werden, aber die Gespräche laufen hier.“

Alexandra Borisch ist eine von denen, die täglich über die 28 Fußballfelder große Ausstellungsfläche der Messe hetzen, um Lizenzen zu ergattern. Sie ist Programmleiterin bei Loewe, einem mittelständischen Kinder- und Jugendbuchverlag im fränkischen Bindlach. „Ab Mittwoch 9.00 Uhr habe ich täglich Termine von 9.00 bis 18.00 Uhr – halbstündlich“, erzählt sie im Laufschritt zwischen dem Loewe-Stand in Halle 3 und Halle 8, wo die amerikanischen Verlage sitzen.

14.00 Uhr, Halle 8, Stand M 932, Reader’s Digest. Borisch trifft eine Verkaufsdirektorin in hochhackigen Pumps. Die Britin zeigt ihr ein Kinderbuch nach dem anderen, fast immer winkt die Deutsche ab: Zu teuer. „In Deutschland zahlt niemand für ein Pappbilderbuch neun Euro“, sagt sie, nachdem sie im Taschenrechner Herstellungskosten und Verlagskosten addiert hat.

In den vergangen Jahren, berichtet der Buchmessen-Sprecher, hätten die Verlage „sehr, sehr hohe Gebote“ abgegeben. Weil jetzt alle bewusster mit ihrem Budget umgehen müssten, erwartet er einen „verschärften Kampf um die absoluten Bestseller“. Es bleibe abzuwarten, in wie weit die Verlage bereit seien, die früher gezahlten Millionenbeträge zu toppen. Random House beispielsweise ist es nicht. „Der Umfang der Lizenzen ist gleich geblieben, aber die Honorare sind an den Spitzen gekappt“, gibt der Geschäftsführer Klaus Eck zu.

14.30 Uhr, Halle 8, Stand J 929, Orpheus. „Wie? Alles schon weg?“, fragt Borisch entsetzt, als ihr Gesprächspartner im Verlagsprospekt eine Seite nach dem anderen kopfschüttelnd umblättert. Die Konkurrenz war schneller und hat die meisten Lizenzen bereits weggeschnappt. Sie schlägt bei einer Abenteuerbuchreihe zu, sagt immer wieder „wir sind sehr interessiert“, doch „festgezurrt“ wird der Kauf erst nach der Messe. Wenn sie zehn potenzielle Lizenzen aus Frankfurt mitbringt, war es eine erfolgreiche Messe. „Entscheidend sind Preis und Zeit“, erklärt Borisch auf dem Weg zum nächsten Termin, „bei den ganz interessanten Büchern muss man sich ganz schnell entscheiden – oder mehr bieten.

Während Borisch Lizenzen für Deutschland kauft, versuchen andere, Titel ins Ausland zu verkaufen. „Das Auslandsgeschäft wird für deutsche Verlage immer wichtiger“, sagt der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Dieter Schormann. Gerade deutsche Kinder- und Jugendbücher seien heiß begehrt, sie machten 22 Prozent aller von Deutschland vergebenen Lizenzen aus. Das sind fast doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Die meisten deutschen Bücher gehen übrigens nach China, sagt Schormann.

15.15 Uhr, Halle 9: Termin mit einem Lizenzgeber, dessen Wissensbücher bereits unter Vertrag sind. Strittig ist aber die Gestaltung des Umschlags. Borisch hat einen Vorschlag dabei, der dem „deutschen Geschmack angepasst“ ist und setzt ihn schnell durch. Damit schafft sie es um 15.30 Uhr pünktlich zum Treffen mit einer Agentin, die Kontakte zu Illustratoren vermittelt. Neue Maler zu bekommen, ist wichtig, „denn die guten sind bis Ende 2003 ausgebucht“.

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