Junger Haitianier nach elf Tagen unter Trümmern gerettet
Im Krankenhaus berichtete Wismond Exantus, er habe sich bei dem Beben unter einen Tisch geflüchtet. In diesem engen Raum habe er auf dem Rücken liegend ausgeharrt und mit Hilfe von Cola, Bier und Keksen überlebt.
“Gott hat mich in seinen Armen geborgen”, sagte Exantus. “Er hat mir Kraft gegeben.” Rettungskräfte werteten seine Geschichte als Ermutigung, die Suche nach Verschütteten fortzusetzen: “Das Leben hört nicht auf, wenn eine Regierung sagt: ‘Hört auf'”, sagte ein Mitarbeiter eines französischen Rettungsteams. Die haitianische Regierung hatte zuvor erklärt, angesichts schwindender Hoffnung für die Verschütteten solle ab sofort die Versorgung der Überlebenden im Focus der internationalen Hilfe stehen.
Eine neue österreichische Hilfslieferung für die Erdbebenopfer in Haiti wird Sonntagabend vom Wiener Flughafen Schwechat ins Katastrophengebiet geschickt. Das Innenministerium stellte 400 Familienzelte zur Verfügung, sagte Innenministeriums-Sprecher Rudolf Gollia zur APA. Die 30 Tonnen schwere Ladung wird gemeinsam mit Lieferungen aus Ungarn und Slowenien transportiert. Österreich hat mit den beiden Staaten ein Flugzeug gechartert. An Bord befinden sich auch Hilfsgüter des Roten Kreuzes.
Seit dem Erdbeben am 12. Jänner wurden nach Angaben der Vereinten Nationen rund 130 Verschüttete gerettet. Außerdem seien mindestens 111.481 Leichen geborgen worden, erklärten die UN unter Berufung auf die haitianische Regierung. Diese Zahl schließe aber nicht die Toten ein, die von ihren Familien sofort beerdigt worden seien.
Während die meisten Opfer in Massengräbern bestattet werden, kamen am Samstag rund 2.000 Menschen zur Beerdigung des Erzbischofs von Port-au-Prince zusammen. Das Begräbnis von Monsignor Joseph Serge Miot war eine von wenigen Trauerfeiern seit der Katastrophe, viele Teilnehmer beweinten bei dieser Gelegenheit auch ihre getöteten Verwandten. “Wir haben das Gefühl, alles verloren zu haben”, sagte ein junger Haitianer, dessen dreijährige Tochter bei dem Beben umgekommen war.
Die haitianische Handelskammer schätzt, dass sich der wirtschaftliche Schaden infolge des Bebens auf bis zu eine Milliarde Dollar belaufen könnte. Nur rund 30 Prozent der Unternehmen hätten eine Versicherung, die ihnen die Schäden ersetzen könnte, sagte der Präsident der Handelskammer, Reginal Boulos. “Viele dieser Leute haben Kredite. Einige werden sie nicht zurückzahlen können. Es könnte zu einem wirtschaftlichen Kollaps kommen.” Allein die Wiederherstellung der Stromversorgung dürfte noch drei bis vier Monate dauern, sagte Boulos.
Für zahlreiche Menschen geht es unterdessen immer noch ums blanke Überleben – auch für diejenigen, die keine äußeren Verletzungen davongetragen haben. Weil das Warenangebot knapp ist, schießen die Preise in die Höhe. Für einige Grundnahrungsmittel wie Reis oder Brot haben sie sich bereits verdoppelt oder gar verdreifacht.
Eine internationale Benefizgala für Haiti mit zahlreichen Topstars brachte am Wochenende mehr als 57 Millionen Dollar (40,3 Millionen Euro) an Spenden ein, wie die Organisatoren mitteilten. Das Benefizkonzert wurde in der Nacht auf Samstag aus New York, London, Los Angeles und Haiti per Fernsehen und Internet in alle Welt übertragen.