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Josefstadt: Unerwartete Pleite mit "Unverhofft"

Auf nichts kann man sich mehr verlassen. Was in der Posse "Unverhofft" ausgedrückt wird, gilt auch für den Rest der Produktion, die Donnerstag Abend Premiere hatte.

Weder scheint das Theater in der Josefstadt mehr eine Adresse, an der das Nestroy-Spielen noch im Schlaf beherrscht wird, noch ist Hans Hollmann, der einst mit bahnbrechenden Regiearbeiten die moderne Bühnensprache mit durchgesetzt hatte, heute ein Garant für spannendes Theater.

Hollmanns zweieinhalbstündige Inszenierung des dreiaktigen Stücks rund um einen Säugling, der dem Hagestolz Ignaz von Ledig ins Bett gelegt wird, atmet nicht die Lebendigkeit des jungen Blutes, dessen hungrige, fordernde Schreie die frühzeitige Grabesstille eines Junggesellenhaushaltes zerreißen, sondern ist gefährlich nahe jenem Schnarchtheater, das Otto Schenk als mit Schlafhaube, Pantoffeln und Schlafrock gewandeter Herr von Ledig unter seiner neuen Daunen-Tuchent freudig zu entfalten hofft. Viel zu behäbig entwickelt sich das in Richtung Boulevardkomödie gerückte Verwechslungsspiel, viel zu stilisiert agieren die Figuren, als dass echtes Leben in den falschen Schein kommen könnte.

Schenk zeigt ohne viel Anstrengung einen wunderlichen Alten, der sich selbst genug ist (“Ich bin mir mein dankbarstes Publikum – mir g’fallt alles an mir”), aber dem Charme des (nie in natura auftretenden) Findelkindes widerstandslos erliegt, ihm die neuen Stoffservietten als Windel opfert und eine Amme zahlt. Zählen seine Konfrontationen und Missverständnisse mit dem Fabrikanten Walzl, den er als Kindsvater wähnt, zu den Höhepunkten des Abends (Martin Zauner ist als Humor-Routinier und eingespielter Schenk-Bühnenpartner eine Stütze, die weder durch eigene Ambition noch durch Regiekonzepte ins Wanken gebracht wird), so zählen die Musik-Passagen zu den Tiefpunkten (Musikalische Einrichtung: Michael Rüggeberg). Neben dem dissonanten, augenzwinkernden Ausstellen des eigenen Unvermögens gibt es auch zahnlose Couplet-Zusatzstrophen von Christoph Wagner-Trenkwitz, die zwischen dem einstigen Schweigkanzler und der heutigen Gesundheitsministerin müde Finten ins Leere schlagen.

In den verschiedenen Farben der Überzeichnung dürfen die Damen zwischen treuherzig (Elfriede Schüsseleder als Ledigs Haushälterin), überspannt (Therese Lohner als Walzls Gattin), hantig (Susanna Wiegand als Amme) und mysteriös (Caroline Frank als ausführendes Organ im Intrigenspiel) wählen, während für Manuel Witting als Handlungsreisender, der sich schließlich als wahrer Vater des Buben entpuppt, der gutherzig-dümmliche Lulatsch übrig geblieben ist. Warum Siegfried Walther seinen Modewarenhändler Falk zwischen ganz-tuntig und halb-wahnsinnig anlegt und Alexander Pschill den Maler Arnold mehr als Inkarnation von Franz Liszt als von Michelangelo (als der er tituliert wird) gestaltet, erschließt sich nicht.

Ziemlich langatmig und wenig witzig – unversehens scheint bei “Unverhofft” so manches schief gelaufen zu sein. Das Publikum reagierte dennoch nicht unwirsch – und spendete am Ende höflichen Applaus.

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