“Er wollte der alleinige Bestimmer seiner kleinen Welt sein”, sagte der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden, Rudolf Egg, der Deutschen Presse-Agentur dpa am Montag. Diese Dominanzwünsche hätten sich während der 24 Jahre, in denen er die Tochter problemlos gefangen halten und selbst die Geburt von sieben Kindern geheim halten oder erklären konnte, immer weiter verstärkt. “Das steigert sich dann zu einem: “Ich kann alles, und mich erwischt überhaupt niemand”.”
Dass es dem Mann gelang, 24 Jahre lang die Vorgänge in dem Keller- Verlies zu vertuschen, zeuge von seinem betrügerischen Talent. Zu Beginn hätten noch ein paar Lügen gereicht, um sich selbst zu rechtfertigen und sich nach außen hin zu schützen, sagte Cornel Binder-Krieglstein vom Berufsverband der österreichischen Psychologen. “Dabei ist relativ bald der Punkt erreicht, wo es kein Zurück mehr gibt.” Über die Jahre sei ein komplexes Lügenkonstrukt entstanden, dass nur ein intelligenter Kopf noch beherrschen konnte, sagte sie der österreichischen Nachrichtenagentur APA.
Auch Psychiater Reinhard Haller sagte, besonders gefährlich würden solche Straftäter durch die Kombination aus gesunder Intelligenz und einer völlig gestörten Charakterstruktur. “So viele Geburten zu organisieren, gleichzeitig derart viele Alibis zu liefern (…) – dafür muss man kognitiv bei sehr gutem Verstand sein”, sagte er.
Der Mann hätte sogar eine plausible Erklärung dafür gefunden, dass drei mit seiner Tochter gezeugten Kinder offiziell bei ihm aufwuchsen. Josef F. habe keine Zweifel an der Geschichte aufkommen lassen, seine Tochter habe die Kinder vor seiner Haustür abgelegt. “An dieser Legendenbildung hat niemand gezweifelt”, sagte Gabriela Peterschofsky-Orange von der Kinder- und Jugendanwaltschaft (KIJA) der APA. Der Mann und seine Ehefrau hätten sich sogar fürsorglich um diese Kinder gekümmert: “Sie waren auch ins Gemeindeleben involviert und ins gesellschaftliche Leben integriert.”
Die österreichische Gerichtspsychiaterin Sigrun Rossmanith sieht außerdem massive Probleme in der Partnerschaft des 73-Jährigen als Auslöser. “In derartigen Fällen können die hohen Triebansprüche von Männern nicht mehr befriedigt werden, so dass auf Töchter zurückgegriffen wird, die dann in die Rolle der Partnerin gezwungen werden”, sagte sie der APA. Josef F. habe seine heute 42-jährige Tochter Elisabeth letztlich als “eine jederzeit verfügbare Sklavin gehalten”.
Besonders tragisch sei, dass die Gefangenschaft von Elisabeth F. so lang gedauert hat. “Das ist ja noch viel schlimmer als der Fall Natascha Kampusch”, sagte Kriminologe Egg. Kampusch hatte bis zu ihrer Flucht 2006 acht Jahre lang in der Gewalt eines Entführers in Österreich gelebt. Anfangs werde Elisabeth F. noch geglaubt haben, bald wieder frei zu kommen, sagte Egg. “Dann hat sie ihren 20. Geburtstag gefeiert, ihren 25. und ihren 30. und war immer noch eingesperrt. Irgendwann findet man sich einfach mit der Situation ab.” Dabei habe sie zwangsläufig den Bezug zur Realität verloren.