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"Jobfabrik": Mehr als nur eine Lebensschule

Seit sieben Jahren gibt es in Wien ein ungewöhnliches Sozialprojekt für besonders lernschwache und „intellektuell benachteiligte“ Jugendliche: Die „Jobfabrik“ in Rudolfsheim-Fünfhaus.

Mädchen und Burschen zwischen 15 und 19 Jahren, die entweder in einer Sonderschule oder Integrationsklasse gescheitert sind, erfahren in der „Jobfabrik“ eine Art Lebensschulung. „Wir sehen uns weniger als Schule, eher als ’erste Firma’“, sagte PR- und Marketing-Chefin Charlotte Welzl im APA-Gespräch. „Bei uns werden die Kinder konkret auf das Arbeitsleben vorbereitet.“

Dass es sich um keine „Schule“ im herkömmlichen Sinn handelt, zeigen die Rahmenbedingungen: Die rund 50 Jugendlichen kommen zwischen sieben und acht Uhr in die vom Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland sowie vom Arbeitsmarktservice (AMS) geförderte Einrichtung und arbeiten dort in Gruppen zu je sechs Personen – unter Anleitung von Professionisten in den Themenbereichen Catering, Renovierung, Küche, Malerarbeiten, Reparatur und Kommunikation. Es gibt auch keine „Sommerferien“, die Jugendlichen haben fünf Wochen Urlaub wie jeder Arbeiter oder Angestellte und sind 38 Wochenstunden beschäftigt. Für Malerarbeiten oder Bodenlegen können die Gruppen ganz normal wie jede andere Firma auch gebucht werden, im Bereich Kommunikation werden u.a. Brief- und Botendienste oder Klebearbeiten angeboten.

Psychologische und soziale Beratung

Welzl stellt aber klar, dass es sich um „keine Ausbildung“ handelt: „Wir vermitteln jemanden aus der Kochgruppe nicht als Koch, sondern als Reinigungskraft. Die Kinder sollen in den Gruppen mehr den Umgang mit Vorgesetzten und Arbeitsabläufe lernen. Dazu gibt es Projekte, wo wir den Kindern helfen, alleine zum Arzt zu gehen. Das fällt unter die psychologische bzw. soziale Beratung.“

Die Jugendlichen in der Jobfabrik „sind extrem schüchtern, ängstlich und zurückhaltend. Sie kommen zumeist aus der unteren Schicht“, versucht sich Welzl, ursprünglich Biologie-Lehrerin, an einem Psychogramm. Schwer Erziehbare sind ganz selten darunter. „Zu uns kommen eher die Braven, von denen man eigentlich erwartet, dass sie mehr können. Für die meisten ist auch eine Lehrstelle nicht zu packen.“ Nur einer von ihren Schützlinge könne Prozentrechnen. Auch mit dem Dividieren hapert es. Um diese und andere Defizite – etwa Rechtschreibung – auszuräumen, beinhaltet die Arbeitszeit auch vier Unterrichtsstunden.

Erfolgsquote von 91 Prozent

„Aber hauptsächlich bereiten wir die Jugendlichen für Hilfstätigkeiten vor, wobei das in der Gesellschaft verpönt ist – nämlich, dass junge Menschen als Regal-Arbeiter oder Verkaufshilfskraft arbeiten.“ Die Erfolgsquote der an verschiedenste Arbeitgeber „vermittelten“ Jugendlichen beträgt laut Welzl 91 Prozent. Das ist auch der Grund für das stetige Wachstum: Vor sieben Jahren hatte es nur zwei Gruppen zu sechs Kindern gegeben, jetzt sind es sechs. Und dank Kooperationen mit McDonald’s, Spar und ISS arbeiten ständig insgesamt bis zu 20 weitere Jugendliche unter Aufsicht von Jobfabrik-Mitarbeitern für ein Jahr bei diesen Firmen. In der Jobfabrik verdienen die Mädchen und Burschen 270 Euro pro Monat, beim Praktikum gibt’s 500.

Die „Schüler“ werden über das AMS, Lehrer, Eltern oder Freunde vermittelt. Kommen kann jeder, der ein Sonderschulzeugnis vorweisen kann, das nicht älter als zwei Jahre ist. „Es können aber auch Hauptschüler kommen. Diese müssen aber einen psychologischen Test machen.“ Derzeit gibt es die Jobfabrik nur in Wien, es gibt aber Bestrebungen, diese Idee auch in den Bundesländern umzusetzen.

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