Es gibt auch schon einen Verhandlungstermin. Kurz muss sich ab 18. Oktober am Wiener Landesgericht für Strafsachen verantworten. Die Verhandlung ist auf drei Tage anberaumt, die Urteile sollen am 23. Oktober fallen.
Von der WKStA wegen falscher Zeugenaussage zur Anklage gebracht wurden neben Kurz auch dessen langjähriger Vertrauter Bernhard Bonelli, Kabinettschef im Bundeskanzleramt unter Kurz und dessen Nachfolger Alexander Schallenberg, sowie die vormalige ÖVP-Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner, bis März 2022 Generaldirektorin der Casinos Austria und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien. Die beiden werden neben Kurz auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal Platz nehmen müssen.
ORF-Redakteure zur Anklage von Kurz:
Bis zu drei Jahre Haft
Wie die WKStA in einer Pressemitteilung festhielt, wird Kurz und Bonelli vorgeworfen, sie hätten als Auskunftspersonen vor dem U-Ausschuss zum Thema Ibiza-Untersuchungsausschuss insbesondere im Zusammenhang mit der Befragung zur Errichtung der ÖBAG und der Besetzung des Vorstandes und Aufsichtsrates dieser Gesellschaft falsch ausgesagt. Glatz-Kremsner - sie wird in der Aussendung der WKStA nicht namentlich genannt - soll sowohl vor dem U-Ausschuss als auch bei ihrer Vernehmung als Zeugin im Ermittlungsverfahren der WKStA zur Bestellung eines Vorstandsmitgliedes der Casinos Austria AG falsch ausgesagt haben. Für alle drei Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
Der Strafrahmen für das zur Last gelegte Delikt beträgt bis zu drei Jahre Haft. "Die Einbringung des Strafantrages erfolgte nach Genehmigung des entsprechenden Vorhabensberichtes durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und das Bundesministerium für Justiz in Übereinstimmung mit dem Weisungsrat", betonte die WKStA.
Birgit Schwarz (ORF) über Anklage gegen Kurz:
Kurz: "Vorwürfe sind falsch"
Was man bereits am Vormittag über die Medien erfahren habe, habe sich nun offiziell bestätigt, ließ nach Bekanntwerden der Anklage ein Sprecher des ehemaligen Kanzlers auf APA-Anfrage wissen. Nun werde die Anklage erst einmal durch Kurz' Anwalt geprüft. Bereits am Vormittag hatte Kurz auf Twitter (X) geschrieben: "Die Vorwürfe sind falsch und wir freuen uns darauf, wenn nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt und sich die Anschuldigungen auch vor Gericht als haltlos herausstellen." Es sei "für uns wenig überraschend, dass die WKStA trotz 30 entlastender Zeugenaussagen dennoch entschieden hat, einen Strafantrag zu stellen". Als "bemerkenswert und rechtsstaatlich nicht unbedenklich" bezeichnete es Kurz, "dass die Medien einmal mehr vor den Betroffenen über den Verfahrensstand informiert sind".
"Zur Kenntnis zu nehmen"
"Die Entscheidung der WKStA, den nunmehr vorliegenden Strafantrag zu erheben, ist zur Kenntnis zu nehmen", hieß es seitens des Rechtsvertreters von Glatz-Kremsner, die vom Wiener Strafverteidiger Lukas Kollmann vertreten wird. "Meine Mandantin ist jedoch sehr zuversichtlich, dass sie ihren Standpunkt gegenüber dem Gericht umfassend darlegen wird können und geht sie von einem positiven Verfahrensausgang aus", meinte Kollmann in einer Stellungnahme.
Am Freitagvormittag hatten sich unter Journalistinnen und Journalisten Hinweise auf die bevorstehende Anklage gegen Kurz verdichtet. Nach gesicherten Informationen der APA wurde die Kanzlei von Rechtsanwalt Werner Suppan, der Kurz vertritt, vor Freitagmittag von der Justiz sowohl vom Einbringen des Strafantrags als auch dem Prozesstermin informiert. Der 108 Seiten umfassende Strafantrag liegt der APA vor.
Rolle bei Schmid-Bestellung
Im Kern geht es bei den Falschaussage-Vorwürfen gegen Kurz um die Frage, wie intensiv der Ex-ÖVP-Chef unter Türkis-Blau in die Reform der Staatsholding ÖBIB zur ÖBAG involviert war. Bei seiner Befragung im Ibiza-U-Ausschuss im Juni 2020 hatte Kurz seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung des umstrittenen Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid heruntergespielt - und sinngemäß von normalen Vorgängen gesprochen. Die WKStA sah darin aber angesichts von Chatverläufen mögliche Falschaussagen.
Nehammer: "Endlich Klärung der Vorwürfe"
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sieht bei einer möglichen Anklage gegen Kurz vor allem die Gelegenheit für eine Aufklärung des Falles: "Wenn es soweit ist, besteht jetzt endlich die Möglichkeit der Aufklärung für alle betroffenen Personen und die Gelegenheit, tatsächlich diese Aufklärung anzustreben", sagte er in einer Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Olaf Scholz am Freitag in Salzburg. "Es ist wichtig, dass es endlich zur Klärung der Vorwürfe kommt", meinte auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
Das "System Kurz" sei in der ÖVP noch immer intakt, kommentierte der einstige SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Jan Krainer, die Anklageerhebung. Noch immer seien "zahlreiche Drahtzieher" in engsten Parteikreisen beschäftigt. Der Freiheitliche Christian Hafenecker sieht in der Anklage "nur die Spitze des Eisberges". Die FPÖ setze ihr Vertrauen ganz in die Justiz. Douglas Hoyos (NEOS) meinte wiederum: "Jetzt gilt es, die Justiz in Ruhe arbeiten zu lassen - ohne Versuche, die Justiz und dieses Verfahren durch türkise Querschüsse behindern zu wollen."
Noch weitere Anklage möglich
Bei der Anklage gegen Sebastian Kurz wegen Falschaussage im U-Ausschuss könnte es nicht bleiben. Der Ex-Kanzler wird noch in einer weiteren Causa belastet, der Umfragen-Affäre. Er soll nicht nur vom "Beinschab-Österreich-Tool" gewusst, sondern dieses in Auftrag gegeben haben. Kurz bestreitet die Vorwürfe, auch ehemalige Mitarbeiter werden beschuldigt. Ins Rollen gebracht hat alles einer von ihnen, der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid.
Mit Mitteln aus dem Finanzministerium sollen Kurz' Vertraute Umfragen finanziert haben, die dem damaligen Außenminister helfen sollten innerhalb der Partei an Einfluss zu gewinnen. Diese sollen dann - teilweise frisiert - in Medien der "Österreich"-Gruppe veröffentlicht worden sein. Das "Beinschab-Österreich-Tool" soll auch noch während Kurz' Kanzlerschaft aktiv gewesen sein.
Schmid belastet in dieser Causa nicht nur Kurz, sondern auch dessen engste Vertraute. So hätten der damalige Kanzlersprecher Johannes Frischmann und der ehemalige Leiter der Kommunikationsabteilung im Finanzressort, Johannes Pasquali, die Umsetzung des Tools übernommen. Weiters davon gewusst hätten auch Kommunikationsleiter Gerald Fleischmann und Kurz-Berater Stefan Steiner.
Die relevanten Gesetzesstellen
Die im Verfahren gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) relevanten Gesetzesstellen finden sich im Strafgesetzbuch und beziehen sich auf die Regelungen zur falschen Beweisaussage bzw. zum bedingten Vorsatz. Im Anschluss die Stellen im Wortlaut:
- Paragraph 288 StGB: (1) Wer vor Gericht als Zeuge oder, soweit er nicht zugleich Partei ist, als Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt oder als Sachverständiger einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten erstattet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2)......
- (3) Nach den Abs. 1 und 2 ist auch zu bestrafen, wer eine der dort genannten Handlungen im Verfahren vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates oder einer Disziplinarbehörde des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde begeht.
- Im Verfahren eine entscheidende Rolle dürfte auch die Regelung zum sogenannten bedingten Vorsatz spielen. Für eine Verurteilung wegen falscher Beweisaussage ist vorsätzliches Handeln nötig - allerdings "nur" in der Form des sogenannten "bedingten Vorsatzes" nach Absatz 1. Absichtliches oder wissentliches Handeln ist dagegen nicht nötig.
- Paragraph 5 StGB (1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
(APA)