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Jerusalem-Frage überschattet geplante Nahost-Konferenz

US-Außenministerin Condoleezza Rice muss während ihrer geplanten Reise in den Nahen Osten versuchen,große Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Rice soll den Konfliktparteien helfen, eine gemeinsame Plattform für die von der US-Regierung organisierte Nahost-Konferenz zu finden, die voraussichtlich Ende November in Annapolis im US-Staat Maryland stattfinden soll.

Derzeit liegen die Positionen von Israelis und Palästinensern noch meilenweit auseinander. “Wenn Frieden in Annapolis ausbricht, fresse ich meinen Hut”, schrieb Yoel Marcus in der israelischen Tageszeitung “Haaretz”. Andere Kommentatoren raten, die Konferenz besser gleich abzusagen oder sich schon vor Beginn innerlich auf die ganz große Krise einzustellen. Eines steht wohl bereits vor der Nahost-Visite von Rice fest: In der Jerusalem-Frage, einem Kernproblem des Konflikts, wird sie bei den Israelis auf Granit beißen. Ministerpräsident Ehud Olmert will das besonders strittige Thema in Annapolis überhaupt nicht ansprechen, sondern erst bei Friedensgesprächen mit den Palästinensern im kommenden Jahr aufgreifen. Die pro-westlichen arabischen Staaten Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten fordern aber, dass auf der Konferenz auch über Jerusalem gesprochen wird.

Seit Tagen führt die israelische Öffentlichkeit eine erbitterte Grundsatzdebatte über Jerusalem. Eine Mehrheit lehnt dabei nach einer neuen Umfrage der Tageszeitung “Yedioth Ahronoth” jegliche Zugeständnisse an die Palästinenser ab. Danach sprechen sich 63 Prozent der Befragten dafür aus, die Jerusalem-Frage – im Widerspruch zu den Oslo-Verträgen – ganz aus künftigen Friedensgesprächen auszuklammern. 68 Prozent der Israelis sind dagegen, dass arabische Stadtteile in Ostjerusalem unter palästinensische Verwaltung kommen. 61 Prozent meinen, dass der Tempelberg mit den islamischen Heiligtümern in der Altstadt von Jerusalem unter israelischer Kontrolle bleiben müsse. 21 Prozent sprechen sich für eine internationale Verwaltung aus.

Auslöser für die wieder aufgeflammte Diskussion waren Äußerungen des israelischen Vizepremierministers Haim Ramon. Erst dachte Ramon laut darüber nach, die Altstadt Jerusalems mit ihren religiösen Stätten unter die Obhut einer internationalen Kommission zu stellen. Danach sagte er in einem Interview, dass Teile Ost-Jerusalems an die Palästinenser übergeben werden könnten. Die israelische Öffentlichkeit rätselt, ob Ramon im Auftrag seines Parteifreundes von Ministerpräsident Olmert Testballons fliegen ließ, um die öffentliche Stimmung auszuloten, oder ob er nur selbst Schlagzeilen machen wollte.

Für Muslime wie Juden ist Jerusalem eine heilige Stadt. Vom Tempelberg soll der Prophet Mohammed auf seinem Pferd gen Himmel geritten sein. Die Klagemauer ist das bedeutendste Heiligtum im Judentum. Im Sechstagekrieg vom Juni 1967 eroberte Israel Ostjerusalem von Jordanien. 1980 erklärte Israel dann einseitig und ohne völkerrechtliche Wirksamkeit Jerusalem zur „ewigen und unteilbaren Hauptstadt“. Dies wird von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. Die Palästinenser beanspruchen den Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. Der politische Endstatus der Stadt, so sieht es der Oslo-Friedensprozess vor, soll in einem Friedensvertrag geregelt werden.

Die Vorschläge und Ideen von Vizepremier Ramon und anderen israelischen Politikern zum Thema Jerusalem sind keineswegs neu. Bereits bei den Verhandlungen von Camp David im Jahr 2000 ließ die damalige israelische Regierung unter Ehud Barak erkennen, dass sie durchaus eine „Doppelhauptstadt“-Lösung akzeptieren könnte. Trotz eines Kompromissvorschlags des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton scheiterten die israelisch-palästinensischen Friedensgespräche vor sieben Jahren vor allem auch am Jerusalem-Streit.

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