Außenminister Frank-Walter Steinmeier brach am Donnerstag seinen Urlaub ab und schaltete sich in den Fall ein. Die Entführer meldeten über jemenitische Medien, die erste Runde der Freilassungsverhandlungen sei zusammengebrochen. Zuvor hatten jemenitische Behörden Optimismus verbreitet und von baldiger Freilassung gesprochen. Steinmeier nahm direkten Kontakt mit seinem jemenitischen Amtskollegen Abu Bakr Al Kirbi auf, teilte das Auswärtige Amt mit. Auch der Krisenstab sollte am Donnerstag wieder zusammentreten.
Die Zeitung Yemen Observer berichtete am Donnerstag, eine erste Verhandlungsrunde zwischen Vertretern des jemenitischen Innenministeriums und den Geiselnehmern sei gescheitert. Einer der Kidnapper, der sich Abu Bakr Abu Al-Khair nannte, habe erklärt, das Ministerium habe keine ausreichenden Garantien gegeben, dass die Forderung nach Freilassung von inhaftierten Stammesangehörigen erfüllt werde. Der Gouverneur der Provinz Shabwa, Abdallah al-Kadi, zeigte sich dennoch optimistisch, dass die Entführten noch im Laufe des Tages freikommen. Die Verhandlungen bewegten sich in eine positive Richtung, sagte er der dpa. Die Geiseln würden wie Gäste behandelt, allerdings als Druckmittel gegen die Regierung in Sanaa benutzt.
Wenig erfreut zeigte sich das Auswärtige Amt in Berlin über die Entwicklung der Berichterstattung. Sprecher Martin Jäger sagte auf Anfrage, das Außenamt sei zuversichtlich, dass der Entführungsfall zu einem guten Ende gebracht werden könne. Er fügte hinzu: Es ist aber wenig hilfreich, sich jetzt vorschnell auf Zeitpunkte für einen Abschluss der Verhandlungen festzulegen. Die intensive Berichterstattung vor Ort im Jemen erleichtert die Verhandlungen nicht. Hier scheint aus unserer Sicht mehr Zurückhaltung angeraten.
Schon zuvor hatte sich das Auswärtige Amt zu optimistischen Spekulationen nicht geäußert. Wir tun alles, die Familie so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen, hieß es. Zu Details äußere man sich grundsätzlich nicht, um die Chrobogs nicht in Gefahr zu bringen. Die Nahost-Korrespondenten der ARD berichteten am Donnerstag, die Verhandlungen liefen in Richtung einer schnellen Freilassung. Ein zugeschalteter Reisemanager aus Sanaa sagte, er habe selbst am Morgen mit der Familie Chrobog gesprochen, und es gehe den Entführten gut. Sie hätten auch bestätigt, dass über ihre Freilassung verhandelt werde.
Chrobog, der in früheren Entführungsfällen bewährte Krisenmanager des Auswärtigen Amts, seine Frau Magda und die drei erwachsenen Söhne waren am Mittwoch auf einer den Regeln entsprechend gesicherten Privatreise in der östlichen Provinz Shabwa in die Gewalt Bewaffneter geraten. Gegen den 65-jährigen pensionierten Diplomaten und seine Familie, die sich auf Einladung des Vize-Außenministers seit Weihnachten im Jemen aufhalten, wurde keine Gewalt angewandt. Das jemenitische Regierungsmitglied war früher Botschafter in Deutschland.
Hintergrund des Kidnappings ist offenbar eine blutige Stammesfehde. Die Entführer des Stammes bin Dahha verlangen nach jemenitischen Angaben die Freilassung fünf inhaftierter Familienmitglieder, denen wegen Tötung von zwei Mitgliedern des rivalisierenden Clans al Maraqsha derzeit der Prozess gemacht werde. Um den Druck auf Sanaa zu erhöhen, seien die Ausländer gefangen genommen worden. Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass die Entführer gezielt zugegriffen haben. Mehrere Stammesälteste aus nicht beteiligten Familien in der Region nahmen Verhandlungen mit den Entführern auf, wie es hieß.
Es ist der vierte Fall in diesem Jahr, bei dem Stammesangehörige in dem armen Land Touristen entführen, um von der jemenitischen Regierung Gegenleistungen zu erpressen. Zuvor waren Spanier, Schweizer und Österreicher vorübergehend gekidnappt worden. Die nordjemenitische Berg- und Wüstenregion ist bei Touristen beliebt, die die alte Hadramaut-Hauptstadt Shabwa und die Ruinen anderer Städte entlang der alten Gewürzhandelsstraße besuchen. Vor Weihnachten waren die Österreicher Peter Schurz (52) und Barbara Meisterhofer (31) in der Provinz Marib nahe einer Stelle entführt worden, die als Thron der Königin von Saba bezeichnet wird. Auch in ihrem Fall war ein Krisenstab eingesetzt worden, hohe Beamte wurden nach Sanaa entsandt. Die beiden Ex-Geiseln beschlossen nach erfolgter Freilassung, ihren Urlaub fortzusetzen.