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Jemen: Österreichische Touristen entführt

Zwei österreichische Touristen sind am Mittwoch im Jemen entführt worden. Wie die Sicherheitsbehörden mitteilten, brachten Stammesangehörige in der Provinz Marib im Nordosten des Landes die Touristen in ihre Gewalt.

Der stellvertretende Sprecher des Außenministeriums, Georg Schnetzer, erklärte Mittwoch Abend gegenüber der APA, es handle sich vorläufig um „unbestätigte“ Meldungen. „Wir sind dabei, diese zu verifizieren.“ Es seien auch noch keine Namen des mutmaßlich entführten Ehepaares bekannt. Im Wiener Außenamt trat ein Krisenstab zusammen.

Laut internationalen Agenturmeldungen will der Stamm mit der Entführung offenbar Mitglieder der eigenen Familie aus dem Gefängnis freipressen. Die beiden Geiseln, vermutlich ein Ehepaar, seien von bewaffneten Männern des mächtigen al-Jaradin-Clans entführt worden.

Die beiden Österreicher hatten sich den Angaben zufolge die Altstadt von Marib – etwa 195 Kilometer östlich der Hauptstadt Sanaa – angeschaut. Laut der Zeitung „Yemen Observer“ wurden die beiden Österreicher („ein Mann und eine Frau“) gegen 12.15 Uhr (10.15 Uhr MEZ) in Al Hateek, einem rund 30 Autominuten von der Stadt Marib gelegenen Wüstengebiet, entführt.

Sie seien von einem jemenitischen Leibwächter begleitet worden. Dieser wurde aber am Ort des Kidnappings zurückgelassen. Augenzeugen gaben an, die Stammesangehörigen seien mit zwei ausländischen Touristen in einem Toyota Hilux davon gefahren.

Seitens des Außenamtes in Wien hieß es weiter, das Ministerium sei in Kontakt mit der Österreichischen Botschaft im Oman, zu deren Agenden der Jemen gehört. Außerdem sei man bemüht, über das Krisenzentrum des Auswärtigen Amtes in Deutschland weitere Informationen einzuholen. Das Wiener Außenministerium habe von dem deutschen Krisenzentrum die ersten Hinweise auf die mögliche Entführung erhalten, so Schnetzer.

Nach Angaben der Polizei im Jemen gibt es eine heiße Spur. Die Ermittler vermuten, dass die Geiseln in die Berge gebracht wurden. Erst vor einem Monat war ein Schweizer Ehepaar in die Gewalt des Clans geraten. Auch damals ging es darum, einen Verwandten aus dem Gefängnis zu holen, der wegen eines Autodiebstahls verhaftet worden war. Die beiden Schweizer waren kurze Zeit später nach dem Einschreiten der Clanführung freigelassen worden.

Im Jemen, dem Land am Südende der arabischen Halbinsel, werden immer wieder Touristen gekidnappt, um politische Forderungen oder finanzielle Zugeständnisse in Verhandlungen mit der Regierung in Sanaa durchzusetzen. Die meisten Geiseln kamen unverletzt wieder frei. Eine Ausnahme gab es 1998. Damals hatte eine militante Gruppe von Islamisten 16 westliche Touristen entführt. Bei einer Befreiungsaktion durch die Polizei waren vier von ihnen ums Leben gekommen.

  • Der „Yemen Observer“ im Internet: www.Yobserver.com

    Verhandlungen mit Stammesführern

    Es wird bereits mit den Stammesführern über eine sichere Freilassung verhandelt. Das berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) Mittwoch Abend unter Berufung auf die örtliche Polizei. Von den Sicherheitsbehörden hieß es, die Entführer forderten die Freilassung von drei Stammesangehörigen, die von der Polizei in der Hauptstadt Sanaa festgehalten würden. Sie seien vor zwei Monaten bei ihrer Ankunft aus Syrien auf dem Flughafen festgenommen worden und stünden im Verdacht, gemeinsam mit Aufständischen im Irak gekämpft zu haben.

    Jemens Botschafter in Österreich: Entführungsfall “unter Kontrolle”

    Der jemenitische Botschafter in Österreich, Ali Hameed Sharaf, zeigte sich optimistisch, dass die Entführung der beiden Österreicher in seinem Land bald einen guten Ausgang nehmen werde. „Die Sache ist unter Kontrolle“, sagte Sharaf Mittwoch Abend Mittwoch Abend in einem Telefonat mit der APA. Der lokale Polizeichef befinde sich bereits bei der entführten Gruppe. „Ich glaube, sie (die beiden Österreicher) werden bald freigelassen.“ Das Paar sei in guter Verfassung.

    Botschafter Sharaf erklärte, er habe nach Bekanntwerden der Entführung Kontakt mit dem Innen- und dem Außenminister seines Landes aufgenommen und auch mit dem Gouverneur der Provinz Marib, wo sich die Entführung ereignete, gesprochen. Der Diplomat schloss daraus, „alles in Ordnung gehen wird“.


    Republik Jemen ist erst seit 1990 ein vereinigter Staat

    Die Republik Jemen, in der am Mittwoch zwei österreichische Touristen entführt wurden, entstand vor zehn Jahren durch den Zusammenschluss der Arabischen Republik Jemen (Norden) mit rund 3,5 Millionen Einwohnern und der Demokratischen Volksrepublik Jemen (Süden) mit rund 10,5 Millionen Einwohnern. Dabei wurden die Besonderheiten des laizistisch orientierten südlichen Landesteils weitgehend berücksichtigt. Ein mehrmonatiger verlustreicher Bürgerkrieg im Jahr 1994 endete mit dem Sieg der nördlichen Kräfte.

    Der Jemen hat eine weit zurück reichende Geschichte. Die Römer nannten ihn „Arabia Felix“. Von 1537 bis 1918 stand das Land unter osmanischer Herrschaft – ab 1635 nur nominell. 1918 wurde Nordjemen nach vier Jahrhunderten unabhängig vom Osmanischen Reich. Als absolute Monarchie war das Land 1945 Gründungsmitglied der Arabischen Liga.

    Die Revolution 1962 führte zum Sturz der Monarchie und einem bis 1970 dauernden Bürgerkrieg, in dem die Republikaner von Ägypten, die Royalisten vom benachbarten Saudiarabien unterstützt wurden. Die von Ägypten mit sowjetischen Waffen ausgerüsteten Republikaner unter Oberst Abdullah Sallal besiegten schließlich die Stammeskrieger von König Mohammed al-Badr.

    Im Südjemen endete 1967 nach fast 130 Jahren die britische Präsenz. 1839 hatten die sich Briten in Aden festgesetzt und ab 1881 durch eine Reihe von Schutzverträgen mit lokalen Herrschern ein Protektorat errichtet. 1963 begann der bewaffnete Kampf einer marxistisch orientierten Befreiungsfront gegen die Kolonialmacht.

    In der Demokratischen Volksrepublik kam es 1969 zur Machtübernahme des radikalen Flügels der Befreiungsfront. Durch den Putsch gegen Staatspräsident Salem Robaya Ali 1978 gelangten moderatere Kräfte in Aden an die Macht, die unter dem Eindruck des Zusammenbruchs des Ostblocks die Vereinigung mit dem Norden vorantrieben.

    Die Wiedervereinigung sollte dem Land wirtschaftlichen Auftrieb geben. Dennoch verschlechterten sich die Lebensbedingungen. Ursache dafür sind die Machtkämpfe, die fehlende Bereitschaft der traditionellen Stammesführer zur Kooperation mit der Zentralgewalt und die pro-irakische Haltung während des Zweiten Golfkriegs 1991, die zur Abschiebung Hunderttausender von Gastarbeitern aus Saudiarabien geführt hatte. Zudem kam es zum Versiegen des Ölstroms aus Saudiarabien und dem Irak.

    Mit ihrem aus freien Wahlen hervorgegangenen Parlament, ihrem pluralistischen Medienwesen und ihrer eher liberalen Handhabung von Koran-Gesetze war die Vereinigte Republik der konservativen Nachbarmonarchie Saudiarabien von Anfang an ein Dorn im Auge. Riad befürchtete, dass von einem demokratischen Jemen eine Signalwirkung für die eigene Bevölkerung ausgehen könnte. Im Gegensatz zu Saudiarabien und den wohlhabenden Ölemiraten gehört der Jemen zu den ärmsten Ländern der Welt.

    Bei der ersten Direktwahl des Staatspräsidenten wurde Ali Abdallah Saleh, der das Amt schon zuvor inne hatte, mit 96,3 Prozent der Stimmen bestätigt. Bei der dritten Parlamentswahl seit der Vereinigung im April 2003 siegte Salehs schon zuvor regierender Allgemeiner Volkskongress mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. An zweiter Stelle landete die religiöse Reformpartei Islah, dahinter die Sozialistische Partei des Jemen.

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