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Jahresbilanz der Bundesregierung: Viel Lob und Pläne für 2019

Die Regierung möchte das Reformtempo auch 2019 beibehalten.
Die Regierung möchte das Reformtempo auch 2019 beibehalten. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Anlässlich des ersten Jahrestages der schwarz-blauen Regierung lobten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache die bisherige Arbeit und präsentierten die Pläne für das kommende Jahr.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben anlässlich des 1. Jahrestags der Bildung der türkis-blauen Bundesregierung eine erste Bilanz gezogen und ihre Vorhaben für 2019 präsentiert. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz lobten Kurz und Strache die eigene Regierungsarbeit und betonten, dass man in etlichen Bereichen eine “Trendwende” geschafft habe.

Kurz und Strache loben Regierungsarbeit zum Jahrestag

Erstmals wurden ein ausgeglichenes Budget vorgelegt, Steuern gesenkt, in der Migrationspolitik der Kurs “Ordnung statt Chaos” vorangetrieben und weitere Reformprojekte angegangen, so Kurz. Strache sprach von einer respektvollen Partnerschaft “auf Augenhöhe”. Trotz eines global herausfordernden Umfelds sei Österreich eine “Insel der Seligen”, meinte Kurz. Dies sei aber keine Selbstverständlichkeit, weshalb man mit dem Ziel angetreten sei, Österreich wieder an die Spitze zu führen.

“Der Rot-Weiß-Rote Reformzug wird 2019 mit dem selben Tempo unterwegs sein”, sagte der Kanzler. Für das kommende Jahr kündigte die Regierung drei Schwerpunkte an: Steuerreform, Pflegereform und Digitalisierung. Punkto Steuerreform deuteten Kurz und Strache einen ersten Fahrplan an. Bei einer Regierungsklausur am 10. und 11. Jänner sollen die Ziele der Steuerreform 2020 festgelegt werden, bis 15. April der dazu passende Budgetrahmen stehen und am 15. Oktober das entsprechende Doppelbudget beschlossen werden. Im Fokus stehen dabei die Entlastungen von kleinen und mittleren Einkommen.

Reformtempo soll auch 2019 gehalten werden

Zur Frage der Pflege wollen ÖVP und FPÖ am Mittwoch im Ministerrat einen Masterplan vorlegen (allerdings ohne Details zur Finanzierung). Laut Kurz und Strache gibt es dabei fünf Zielsetzungen: bessere Unterstützung für pflegende Angehörige, eine bessere Ausbildung und Bezahlung des Pflegepersonals, die Stärkung der mobilen Pflege, um die Hauspflege zu erleichtern, eine nachhaltige Finanzierung sowie die stärkere Nutzung von Technologie und Innovation. Laut Kurz soll auch die Möglichkeit einer Pflegeversicherung geprüft werden.

Das Koalitionsabkommen der türkis-blauen Bundesregierung wurde am 15. Dezember 2017 abgeschlossen, die Regierung danach am 18. Dezember angelobt. In der Sonntagsfrage liegen die beiden Regierungsparteien seit der vergangenen Nationalratswahl stabil.

Regierungsbilanz im Schatten Waldhäusls

Überschattet wurde die Bilanz-Pressekonferenz der Regierung durch die Affäre um das vom niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl eingerichtete Flüchtlingsquartier in Drasenhofen, wo Jugendliche Asylwerber in einer Art Hausarrest gehalten wurden. Die niederösterreichische Jugendanwaltschaft sprach von einem “Anschein eines Freiheitsentzuges” – und zwar ohne Verurteilung und ohne erkennbare Rechtsgrundlage.

Strache verteidigte die Vorgehensweise seines Parteikollegen mehrmals wortreich. Er kritisierte, dass Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in der Causa “auf Zuruf” reagiert habe und wies auch den Vorwurf des Freiheitsentzuges zurück. “Dass Jugendliche in ihrer Freiheit beeinträchtigt sein sollen, was der Landesrat vehement zurückweist, das ist einfach unrichtig”, behauptete Strache. Im Übrigen meinte er noch, dass nicht alle Jugendlichen in Drasenhofen “unbedingt so anständig gewesen sein sollen”.

Kurz verteidigte dagegen Mikl-Leitner, die die Absiedelung der Jugendlichen aus Drasenhofen verlangt hatte. Natürlich könne es unterschiedliche Betreuungsmodelle geben, “aber immer alles im Einklang mit unseren Grundwerten, unserem Recht, unseren Gesetzen”, deponierte Kurz. Allzu deutliche Kritik an der FPÖ vermied er aber. So ließ Kurz die Frage unbeantwortet, was er denn davon halte, dass Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) das Vorgehen Waldhäusls verteidigt hatte.

“Werden uns nicht vom Weg abbringen lassen”

Gelassen kommentierte Kurz internationale Medienstimmen, wonach er den Rechtsextremismus in Europa salonfähig mache. Er verstehe natürlich, dass der Blick der Welt auf Österreich immer noch stark von der Geschichte geprägt sei. Aber die Regierung setze das um, was sie im Regierungsprogramm vereinbart habe. “Wir haben starke Unterstützung in der Bevölkerung, wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen”, so Kurz. Und: “Ich bin es gewohnt, mit einer nicht so positiven Kommentieren zu leben, genauso wie mit einer positiven.”

Strache meinte, er nehme Magazine wie “Time” und “Newsweek” nicht weiter ernst, weil da ja auch über US-Präsident Donald Trump nicht nur positiv berichtet werde. Und, so Strache: “Nicht links, nicht rechts, sondern vorne sind wir.”

SPÖ zieht kritische Bilanz

Die SPÖ zieht eine kritische Bilanz zur bisherigen Regierungsbilanz von Türkis-Blau. Zum ersten Mal werde das Leben vieler in der Phase einer Hochkonjunktur schwerer statt leichter, erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda anlässlich des 1. Jahrestags der Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung in einer Aussendung. “Für mich gibt es eine klare Messlatte für die Politik: Wurde den Menschen das Leben leichter gemacht oder nicht”, sagte Drozda. “Die Maßnahmen der Bundesregierung haben Folgen: Für 81.000 Kinder, die Mindestsicherung beziehen. Für ältere Arbeitslose, die auf die Aktion 20.000 angewiesen waren. Und für die Jugendlichen, die in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten arbeiten. Ihnen und sehr vielen mehr hat die Bundesregierung das Leben schwerer gemacht”.

Zum ersten Mal in der Zweiten Republik würden während einer Hochkonjunkturphase nicht alle vom gemeinsam geschaffenen Erfolg profitieren. “Das ist das Muster dieser Regierung: Die FPÖ verrät die Menschen, damit das Geld zu den Wahlkampfspendern der ÖVP geschaufelt wird und der Sozialstaat scheibchenweise abgebaut wird. Und die ÖVP schweigt, wenn die FPÖ die liberale Demokratie attackiert und Jugendliche hinter Stacheldraht gesperrt werden.” Die Bundesregierung tue nichts, um Österreich gerechter und zu einem besseren Ort zu machen, stattdessen gebe es Belastungen und Missgunst.

Rauchverbot in der Gastronomie gefordert

Kritik an der bisherigen Regierungsarbeit kam auch von der Österreichischen Krebshilfe sowie von verschiedenen Umweltorganisationen. Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda forderte einmal mehr ein Rauchverbot in der Gastronomie. Ein bereits beschlossenes Gesetz dazu wurde ja auf Wunsch der FPÖ wieder aufgehoben. “Diese ‘Morgengabe’ kostete im ersten Jahr der Regierung bereits 1.000 Menschenleben durch Passivrauch”, so Sevelda. Die Bundesregierung müsse ihrer gesundheitspolitischen Verantwortung nachkommen.

Die Umweltorganisationen Global 2000, Greenpeace und WWF Österreich monierten, dass das erste Amtsjahr der türkis-blauen Bundesregierung von Frontalangriffen auf den Umweltschutz und Versäumnissen im Klimaschutz geprägt gewesen sei. Unter dem Vorwand der Verfahrensbeschleunigung werde Umweltrecht scheibchenweise demontiert. “Das ist ein geradezu fahrlässiger Kurs. Die Bundesregierung riskiert mehr Umweltverschmutzung und Klimaschäden in Österreich”, meinte etwa Hanna Simons vom WWF Österreich.

NEOS sehen “viel Lärm um nichts”

Die Opposition ist von der zufriedenen Regierungsbilanz, die Kanzler Kurz und Vize Strache am Dienstag gezogen haben, nicht beeindruckt. “Viel Lärm um nichts”, bilanzierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die Regierung setze statt auf Reformen auf Spaltung. “Statt echten Reformen gab es vor allem Show Politik”, so die NEOS-Klubobfrau.

Für Bruno Rossmann von Jetzt (vormals “Liste Pilz”) hat das erste Jahr der neuen Regierung gezeigt, dass es ÖVP und FPÖ vor allem um das Umfärben der Republik, Postenschacher und Klientelpolitik geht. “Dazu kommen ein Totalversagen im Klimaschutz und eine systematische Benachteiligung des unteren Einkommensdrittels”, kritisierte Rossmann: “Die Reförmchen der Regierung sind alles andere als die versprochenen Leuchttürme – sie drohen eher, solche einzureißen.”

(APA/Red)

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