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Jacqueline: Angeklagte müssen vor Geschworene

Zehnjährige Tochter misshandelt: Eltern müssen vor Geschworene - Laut Richter passierte bei Anklageerhebung „Fehler“ - In Wahrheit wurde junger Staatsanwalt aber von oben „zurückgepfiffen"

Ein Unzuständigkeitsurteil gab es heute, Donnerstag, im Prozess gegen die Eltern der zehnjährigen Jacqueline, die das Mädchen von Mitte September bis Ende November 2003 in ihrer Wohnung in Wien-Floridsdorf auf grausame Art und Weise misshandelt und sexuell missbraucht hatten. Ein Schöffensenat stellte im Landesgericht fest, dass bereits eine rechtliche Würdigung der Anklagepunkte ausreiche, um festzustellen, dass das Opfer die Übergriffe als schweren Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung erlebt hatte. Sasa (27) und Suzana J. (27) müssen sich damit nun vor Geschworenen verantworten.

Für schweren sexuellen Missbrauch von Unmündigen im Sinn von Paragraf 206 Absatz 3 Strafgesetzbuch ist immer ein Geschworenengericht zuständig. Strafrahmen: Fünf bis 15 Jahre Haft. Dass die Staatsanwaltschaft gegen Sasa (27) und Suzana J. (27) – neben Quälen einer Unmündigen, Freiheitsentziehung und absichtlicher schwerer Körperverletzung – nur wegen minder schwerem sexuellen Missbrauch nach Paragraf 207 Anklage erhoben hatte, bezeichnete Richter Andreas Böhm wörtlich als „Fehler“.

Wäre das nicht passiert, wäre man ohne weitere Verfahrensverzögerung gleich vor dem richtigen Gericht gelandet. Nun muss erst ein neuer Vorsitzender gefunden werden, der sich in den umfangreichen Akt einzuarbeiten hat. Mindestens drei Monate dürften bis zur Schwurverhandlung vergehen.

In Wahrheit aber war es kein Fehler des zuständigen Staatsanwalts Christian Temsch, sondern ein „internes Kommunikationsproblem“, wie dieser gegenüber Journalisten den Lapsus vornehm umschrieb. Temsch hatte in seiner Anklageschrift nämlich sehr wohl den korrekten Paragrafen herangezogen, wurde allerdings von oben „zurückgepfiffen“: Der junge Ankläger ist noch revisionspflichtig.

Ein älterer Kollege stellte sich auf den – irrigen – Standpunkt, beim Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs sei eine sexuelle Befriedigung des bzw. der Täter maßgeblich. Peinlich: Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat erst in einer jüngst ergangenen Entscheidung das Gegenteil als zutreffend ausjudiziert.

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