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Italiens Militärgeheimdienst bespitzelte über 200 Richter

Italiens Militärgeheimdienst SISMI soll in den vergangenen Jahren unter der Ägide seines ehemaligen Chefs Nicolo Pollari mehr als 200 Richter und Staatsanwälte ausspioniert haben.

Ziel war, Erpressungsmaterial zu sammeln und Druck auf die Richter in heiklen Ermittlungs- bzw. Gerichtsverfahren auszuüben. Das geht aus einer Klage des Obersten Richterrats (CSM) hervor. Laut CSM sei dadurch die Unabhängigkeit der Justiz behindert worden. Der Skandal sorgt in Italien für Schlagzeilen.

Laut dem CSM hat der SISMI intensiv von 2001 bis 2003 sowie graduell bis 2006 vier Staatsanwaltschaften (Mailand, Turin, Rom, Palermo) sowie 203 Richter aus 12 Ländern, davon 47 Italiener, ausspioniert. Dies bedeute, dass der SISMI selbst und damit auch seine Führungsspitze fünf Jahre lang ein ungesetzliches, gegen die Verfassung gerichtetes Programm umgesetzt habe. Funktionäre des Militärgeheimdienstes hätten darüber hinaus mit Einschüchterungsaktionen Richter bedroht und ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit in Frage gestellt.

In einer Presseaussendung drückte die Regierung ihr „volles und totales Vertrauen in die Arbeit der Richter“ aus. Das Kabinett äußerte die Hoffnung, dass die gegen den SISMI erhobenen Vorwürfe bald geklärt werden können. Die Regierung von Ministerpräsident Romano Prodi hob hervor, dass die SISMI-Spitze vor wenigen Monaten ausgewechselt worden sei. Der neue Kommandant des Militärgeheimdienstes, Bruno Branciforte, sei stark engagiert, mit den staatlichen Institutionen zum Schutz der Bürger und der demokratischen Einrichtungen zu arbeiten.

Justizminister Clemente Mastella erklärte, Maßnahmen gegen unklares Verhalten von Seiten hochrangiger SISMI-Mitglieder könnten nach Ende einer Untersuchung ergriffen werden. „Die Ermittlungen sind im Gange“, so Mastella.

Der neue Skandal könnte die Regierung dazu bewegen, eine bereits lang geplante Reform der italienischen Geheimdienste zügig umzusetzen. Insgesamt kümmern sich neun Organisationen um Informationen und Sicherheit. Ihre Kompetenzen überschneiden sich oft, was für Schwierigkeiten sorgt. Eine Reform der Geheimdienste war in den vergangenen Jahren öfters angekündigt, aber nicht durchgesetzt worden.

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