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Italiens Journalisten streiken

Italiens Journalisten streiken am Dienstag gegen den nach Ansicht ihrer Ständevertretung FNSI zunehmenden politischen Druck auf die Medien im Land.

Der Streik war nach dem Wechsel an der Spitze des Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ beschlossen worden. Die Demission von Chefredakteur Ferruccio De Bortoli war Gerüchten zufolge auf Druck des Kabinetts von Silvio Berlusconi erfolgt. De Bortoli, der sechs Jahre an der Spitze der renommierten Tageszeitung stand, verfolgte eine oft regierungskritische Linie. Sein Nachfolger, der politische Kommentator Stefano Folli, übernahm am gestrigen Montag die Führung der renommiertesten Tageszeitung Italiens.

An dem Streik am Dienstag beteiligen sich die Redakteure von Tageszeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen. TV- und Radioredaktionen werden am 18. Juni die Arbeit niederlegen. FNSI-Sprecher meinten, die Pressefreiheit gerate in Italien immer mehr in Gefahr, da der Einfluss des Ministerpräsidenten Berlusconi auf die Medienlandschaft immer stärker sei. „Dies ist ein politischer Streik, weil wir einen Eckpfeiler der Demokratie, die Medienfreiheit, verteidigen wollen. Es ist offensichtlich, in welcher Gefahr die Pressefreiheit in Italien ist“, meinte FNSI-Chef Paolo Serventi Longhi.

Das Thema Medienfreiheit beherrscht seit Jahren die politische Debatte in einem Land, in dem der Regierungschef die stärkste private TV-Gruppe sowie mehrere Tageszeitungen und Zeitschriften besitzt. Auch an die Spitze der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalt RAI stellte Berlusconi mehrere Vertrauenspersonen, er beeinflusse die Berichterstattung des Staatsfernsehens zutiefst, bemängelt die Opposition. Im Kampf gegen RAI um die Einschaltquoten feiert Mediaset seit Monaten Erfolge. Die Gruppe ist mit den Sendern Canale 5, Italia 1 und Retequattro die Nummer 1 im italienischen TV-Geschäft und hält einen Marktanteil von über 40 Prozent.

Der Streik wurde in Regierungskreisen scharf kritisiert. „Die Protestaktion ist rein politischer Natur“, sagte Telekommunikationsminister Maurizio Gasparri. Einziger Ziel des Protests sei es, die Regierung unter Druck zu setzen. Die Medienfreiheit sei in Italien keineswegs gefährdet, meinte der Minister. Auch der Verlegerverband FIEG kritisierte den Arbeitskampf. In einer schwierigen Phase für die italienischen Medien hätten die Journalisten alternative Protestformen zum Streik bevorzugen können. FIEG warf den Journalisten vor, für die gravierenden Problemen der italienischen Medien „unsensibel“ zu sein.

Die Beziehungen zwischen dem Journalistenverband und den Verlegern sind in Italien seit Monaten gespannt. Die Journalisten werfen dem Verlegerverband vor, immer mehr Redakteure mit befristeten Arbeitsverträgen einzustellen. Darüber hinaus wollen sie die Verleger daran hindern, zunehmend aus Honorarbasis Journalisten zu beschäftigen, die in den Ruhestand getreten sind oder ihre Arbeit verloren haben. Die Verlage wollen sich auf diese Weise neue Anstellungen und Personalkosten ersparen.

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