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Italien: "Die Deutschen sind verschwunden"

In Rimini, gewiss nicht die erste Adresse für erholsame Badeferien in "Bella Italia", muss ein Touristenpaar für zwei Liegen plus Sonnenschirm derzeit 14 Euro am Tag hinblättern.

Ein Fischgericht im Lokal kostet im Schnitt 40 Euro – das allerdings für eine Person. Und die Drei-Sterne-Hotels der Adriastadt verlangen für ihre Doppelzimmer 160 Euro. Dabei gilt die Adria noch als vergleichsweise preiswerte Ferienregion Italiens.

„Cara Vacanza“ (Teure Ferien) überschreibt die Mailänder Zeitung „Corriere della Sera“ in dicken Lettern ihren „Selbstversuch“ in Sachen Preise – das ist fast schon ein nationaler Aufschrei. Auch die Hoteliers schlagen Alarm: Im Durchschnitt 15 Prozent weniger Touristen kamen im Juni und Juli; in der Toskana, Ligurien, Venetien und Emilia-Romagna sind es gar 20 Prozent minus. Das kommt beinahe schon einer Katastrohe gleich in einem Land, das fast 12 Prozent seines Sozialprodukts mit dem Tourismus verdient. Vor allem: Deutsche und Österreicher kommen immer weniger.

Früher, als rührige Barbesitzer zwischen Jesolo und Riccione Schilder wie „Wir kochen deutschen Kaffee“ vor die Tür hängten, war Italien mal „Billigland“ für die Deutschen. Wenn man die D-Mark gegen Lire tauschte, fühlte man sich als reicher Mann. Dieses Jahr kamen angeblich bisher – je nach Region – bis zu 30 Prozent weniger Deutsche, das macht laut Reiseveranstaltern ein Minus von einer Million Besuchern. „In meinem Cesenatico sind die Deutschen verschwunden“, klagt selbst der Schriftsteller Cristiano Cavina öffentlich.

„Lange Autoschlangen, aber in Richtung Kroatien“, titelte eine Zeitung jüngst – dabei gelten Badeferien im kostengünstigeren Nachbarland für Italiener fast schon als „nationaler Verrat“. Selbst an den Stränden vor den Toren Roms wird derzeit über mangelnde Badegäste geklagt – dort gebe es ein Minus von ebenfalls 30 Prozent, schuld seien die gesalzenen Preise. Wenn auch das „Krisenbewusstsein“ und die Bereitschaft zum Klagen in Italien weniger entwickelt sind als in Deutschland: Das Geld ist knapp geworden.

Längst vorbei ist wegen der klammen Finanzen auch das „klassische Sommerarrangement“ in Italien, wonach Frauen und Kinder für zwei Monate ans Meer fahren und die Ehemänner zu Hause freie Bahn haben. Das galt früher mal als die hohe Zeit der „scappatella“ – des sommerlichen Seitensprungs. Der heutige Trend heißt: Immer kürzer, immer billiger werden die Ferien. Ein Drittel der Italiener fährt nur noch höchstens eine Woche weg, die Hälfte gibt nur noch 750 Euro aus – da ist nichts mehr mit Fischessen im Restaurant.

Doch den italienischen Tourismusexperten schwant, dass nicht nur die Preise der Grund sind. „Die Italiener glauben einfach noch immer, Italien sei das schönste Land der Welt, wo man überall besser als sonst essen kann, und das würde genügen, um die Touristen anzuziehen“, klagt ein Sprecher der Reiseveranstalter. Was fehle, sei eine echte Werbestrategie zum Touristenfang.

Da allerdings hat sich die Adriastadt Pesaro diesmal etwas Besonderes einfallen lassen: Sie ernannte kurzerhand Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Ehrenbürger. Der Kanzler bekam die Auszeichnung für seinen „Einsatz für ein vereintes Europa“ – aber auch weil er seit einigen Jahren den Urlaub in Pesaro verbringt und dadurch den „guten Ruf“ der Stadt mehre.

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