11.964 Sträflinge haben bisher von der Amnestie Strafnachlass profitiert, in den nächsten Wochen sollten noch mehrere Tausende Gefangene frei kommen. „Dank des Strafnachlasses werden insgesamt zirka 15.000 Menschen enthaftet werden“, betonte Justizminister Clemente Mastella in einer Rede am Dienstag vor dem römischen Parlament.
Mindestens 18 Gefangene, die dank des Strafnachlasses frei gekommen sind, wurden bereits wenige Stunden nach ihrer Enthaftung wieder festgenommen, weil sie neue Verbrechen begangen haben. Ein Mann aus Udine, der wegen Gewalt gegen seine Familienangehörigen verurteilt worden war, versuchte, seine Frau zu erdrosseln und wurde wieder festgenommen. Ein 32-jähriger Drogenabhängiger starb an einer Überdosis in Mailand, kurz nachdem er enthaftet worden war.
Allein in Rom wurden dieser Tage 2.000 Sträflinge frei gelassen. Viele von ihnen wissen nicht, wohin sie gehen sollen. Sie haben weder eine Wohnung noch eine Arbeit. Sie wenden sich an eine Informationsstelle für Ex-Sträflinge, die im Zentrum von Rom eingerichtet wurde. Das Büro verteilt ein 48-Stunden-Kit mit Karten für öffentliche Verkehrsmittel, Zahnbürste, Telefonkarten und ein T-Shirt. Die Freiwilligen geben den Ex-Sträflingen auch einen Schlüsselanhänger mit einem Ring. „Es ist symbolisch und bedeutet, dass die Ex-Sträflinge jetzt selbst den Schlüssel für ihr neues Leben in der Hand haben“, berichtete ein Freiwilliger.
13 Mio. Euro stellt nun der italienische Staat zur Verfügung, um Sträflingen ihre soziale Integration nach der Freilassung zu erleichtern. Rund 2.000 Ex-Gefangene, die dank des Strafnachlasses enthaftet wurden, werden sechsmonatige Ausbildungskurse besuchen können, um einen Beruf zu erlernen. Dabei werden sie während dieser Zeit staatliche Hilfe in Höhe von 450 Euro pro Monat kassieren. Unternehmen oder Genossenschaften, die einen Ex-Gefangenen anstellen, sollen einen staatlichen Zuschuss von 1.000 Euro erhalten.
Justizminister Mastella berichtete, dass er beim Ministerrat mehr Geld für sein Ministerium gefordert habe. „In den letzten drei Jahren sind unsere Ausgaben um 52 Prozent gekürzt worden. Jetzt verlangen wir mehr Geld“, sagte der Minister.
Gegen den Strafnachlass läuft die rechtspopulistische Regierungspartei Lega Nord Sturm. Bei einer politischen Veranstaltung in der Lombardei wurden an die Anhänger der Gruppierung Anträge für die Vergabe von Waffenberechtigungen verteilt. „Wir wollen die Bürger nicht zur Selbstverteidigung anregen. Wenn sich ehrliche Bürger jedoch in Gefahr fühlen, weil so viele Kriminelle wieder auf freiem Fuß sind, haben sie das Recht, legal eine Waffe zu bekommen“, sagte der Lega-Senator Massimo Polledri.
Zwei Drittel der italienischen Parlamentarier hatten für den Strafnachlass gestimmt, mit dem die rund 200 übervölkerten Strafanstalten in Italien entlastet werden sollen. Das Gesetz sieht einen Strafnachlass von drei Jahren für alle vor Mai 2006 begangenen Vergehen vor. Von der Maßnahme können jene Sträflinge nicht profitieren, die wegen Terrorismus, Mafiazugehörigkeit, Pädophilie, sexueller Gewalt, Entführungen, Schieberei, Geldwäsche und Drogenhandel verurteilt worden sind.