Ist Frankreich Islamfeindlich? - Großer Aufschrei nach Mord in einer Moschee

Die grausame Tat erschüttert nicht nur das Land sondern auch die Politik. Ein junger Mann wurde am 25. April in La Grand-Combe, einem kleinen Ort im südfranzösischen Département Gard mit ca. 5000 Einwohnern, von einem anderen jungen Mann brutal ermordet. Viele Motive weisen darauf hin, dass die Tat aus islamfeindlichen und rassistischen Gründen begangen wurde.
Mutmaßlicher Täter hat bosnische Wurzeln
Der mutmaßliche Täter heißt Olivier H. und ist ein Franzose mit bosnischen Wurzeln. Der 21-jährige hatte letzten Freitag die Moschee von La-Grand-Combe aufgesucht, wo er angeblich niemandem bekannt war. Bis auf den 23-jährigen Einwanderer Aboubakar Císse aus Mali, welcher die Räumlichkeiten für das Freitagsgebet vorbereitete, war keiner vor Ort. Daher bat Oliver H. den Gläubigen, ihm zu zeigen, wie im Islam gebetet wird. Als Cissé sich hinkniete, zog der 21-jährige ein langes Messer aus einer Tasche und stach mehrmals auf ihn ein. Die grausame Tat wurde von Überwachungskameras der Moschee festgehalten.
Mord mit Handy aufgenommen
Olivier H. filmte sein Opfer, während dieser am Boden im Sterben lag. Das Video dauert "mehrere Dutzend Sekunden", wie Ermittler später berichten. Im Video ist auch zu hören, wie der Täter sein Opfer verspottet und Allah beschimpft. Zudem wolle er auch noch weitere Menschen umbringen, um als Serienmörder zu gelten. Dass er nun verhaftet werde, daran habe er keine Zweifel.
Das Video lud er auf die Chatplattform Discord hoch, die es nach kurzer Zeit wieder löschte. Seine Flucht trat der Täter mit dem Auto an. Ganze drei Tage war der 21-jährige unterwegs bis er sich Sonntagabend selbst, bei einer Polizeiwache in Pistoia bei Florenz, stellte. Familie und Freunde bewegten ihn offenbar dazu.
Die erste Prüfung des Falls ergab, dass es sich um eine Tat "mit einem rassistischen und islamfeindlichen Hintergrund" handeln könnte, davon gehen zumindest die Ermittler aus. Andere Hintergründe, welche mit der Psyche des Täters zu tun hätten, können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Ansonsten ist bisher relativ wenig über den erwerbslosen jungen Mann bekannt, bis auf dass er Arbeitslosengeld bezieht und seine Zeit meistens mit Videospielen verbrachte.
Aufschrei in Frankreich
Der Fall löst in der französischen Politik eine heftige Debatte aus. Emanuel Macron der Staatspräsident und François Bayrou der Premierminister machten rasch mit eindeutigen Stellungsnahmen in den sozialen Medien klar, was sie von der abscheulichen Tat halten. Bayrou nannte das Verbrechen eine "islamophobe Schande“.
In der Regierung sind einige Minister jedoch anderer Meinung. Gegen den Begriff der "Islamophobie", welcher für Furcht, Feindseligkeit und Ablehnung gegen den Islam und Muslime steht, wehren sie sich. Früherer Premier und heute Minister für Übersee, Manuel Valls, sagte, die „schreckliche Tat“ von La Grand-Combe sei womöglich „antimuslimisch konnotiert“. Allerdings sei Islamophobie ein ideologischer Kampfbegriff den die iranischen Mullahs, im Kampf gegen ihre Gegner, benutzt hätten. Diesen dürfe man daher nicht übernehmen. Über Frankreich sagte Walls, dass es "ein altes Land des Christentums" sei.
Ist die Begriffsdiskussion eine gezielte Verniedlichung der Islamfeindlichkeit? Innenminister Bruno Retailleau wollte auch nicht von Islamophobie reden. Retailleau hat zudem zwei Tage benötigt, bis er sich in der Gegend zeigte, obwohl dieser üblicherweise umgehend an entsprechende Tatorte reist.
Zahlen in den letzten Jahren gestiegen
Dem Innenminister und dem rechten Lager insgesamt wird von der radikal linken Partei La France insoumise vorgeworfen, dass sie mit unterschiedlichem Maß messen würden, je nach Religion der Opfer. „Islamophobie tötet. Und alle, die dazu beitragen, sind mitschuldig“, hieß es von Jean-Luc Mélenchon, Kopf der Partei, auf einer Kundgebung auf dem Pariser Place de la République.
Die Meinungsverschiedenheit in Frankreich hat also mehrere Ursachen. Grund dafür sind nicht nur Fälle von Antisemitismus sondern auch die Zahl von antimuslimischen Vorfällen, die in den letzten Jahren zunehmend gestiegen sind. Unterstützt wird die Kampagne von extremen und identitären Rechten gegen den Islam und von diversen Medien wie beispielsweise des Imperiums des reaktionären Unternehmers Vincent Bolloré.
Wurde Olivier H. von diesem aufgeladenen Klima inspiriert? Dies bleibt vorerst unklar. In La Grand-Combe läuft nun eine große Spendenaktion. Mit dem gesammelten Geld soll der Leichnam von Aboubakar Cissé für die Bestattung nach Mali, in seine Heimat, überführt werden.
(VOL.AT)