Israels Armee greift Krankenwagen in Gaza an

Darum geht's:
- Israelische Armee greift Krankenwagen an, Hamas bestreitet Vorwürfe
- Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen steigt weiter an
- UNO-Generalsekretär und WHO-Chef fordern Waffenruhe
Das Hamas-Gesundheitsministerium gab dagegen an, es seien Verwundete zum Grenzübergang transportiert worden, damit diese in Ägypten behandelt werden können. Extremistische Palästinenser im Gazastreifen feuerten indes erneut Raketen auf den Süden Israels ab.
Ausreisen gestoppt
Nach dem israelischen Angriff auf einen Krankenwagen sind Ausreisen aus dem Gazastreifen vorerst gestoppt worden. Betroffen sind verletzte Palästinenser ebenso wie Ausländer und Palästinenser mit doppelter Staatsbürgerschaft. Aus Sicherheitskreisen in Gaza hieß es, dass zunächst Verwundete nach Ägypten gebracht werden sollen.
Der Angriff auf den Krankenwagen geschah nach palästinensischen Angaben vor dem Eingang des Shifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza. 13 Menschen seien dabei getötet und 26 weitere verletzt worden. Die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen insgesamt stieg nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 9.488. Unter den Toten seien Tausende Frauen sowie Kinder und Jugendliche, wie die Behörde am Samstag mitteilte. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen.
Hamas versucht, verletzte Mitglieder zu schmuggeln
US-Medien berichteten, die Hamas versuche, verletzte Mitglieder ihres militärischen Arms über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten herauszuschmuggeln. Damit habe sie die Evakuierung von Ausländern aus dem Gaza-Streifen verzögert, schrieb die "New York Times" unter Berufung auf einen hohen amerikanischen Regierungsbeamten. Der US-Offizielle sagte, dass die Hamas zuvor Israel, den Vereinigten Staaten und Ägypten wiederholt Listen verwundeter Palästinenser vorgelegt habe, die zusammen mit US-Bürgern und anderen Ausländern ausreisen sollten. Nachprüfungen hätten aber ergeben, dass es sich bei vielen dieser Personen um Hamas-Kämpfer handelte.
UNO und WHO fordern Waffenruhe
UNO-Generalsekretär António Guterres und der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, zeigten sich vom Beschuss des Krankenwagens "entsetzt". Beide forderten eine Waffenruhe. Guterres erklärte, die Bilder von auf der Straße liegenden Leichen seien "erschütternd". Er habe die von der Hamas in Israel verübten Terroranschläge "nicht vergessen", hieß es in einer Stellungnahme von Guterres vom Freitagabend. Zivilisten dürften nicht als menschliche Schutzschilde missbraucht werden.
Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan warf Guterres daraufhin vor, dass er "völlig die Tatsache ignoriert, dass die Hamas Krankenwagen absichtlich für Terrorziele missbrauchen". Mit Blick auf das Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober schrieb Erdan: "Wo war Ihr Horror, als die Hamas mit Panzerabwehrraketen auf israelische Krankenwagen schoss und Rettungssanitäter kaltblütig hinrichtete?"
Israel wirft der Hamas seit langem vor, ihre Kommandozentren, Waffenlager und Raketenabschussrampen gezielt in zivilen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Schulen zu platzieren oder in Tunneln darunter - damit sie nicht aus der Luft bombardiert werden. Die USA, die Europäische Union und Israel stufen die Hamas als Terror-Gruppe ein.
Bei den Kämpfen im Gazastreifen wurde nach palästinensischen Angaben eine Schule durch israelischen Beschuss getroffen, in der Menschen Schutz gesucht hätten. Mindestens 15 Menschen seien dabei getötet und zahlreiche weitere verletzt worden, sagt der Leiter des Al-Shifa-Krankenhauses, Mohammad Abu Selmeyah. Augenzeugen berichteten ebenfalls, dass die Al-Fakhoura-Schule im Flüchtlingslager Jabalia in der Nähe von Gaza-Stadt getroffen worden sei. Reuters-Bilder zeigten zerborstene Möbel und andere Gegenstände, die auf dem Boden verstreut lagen, sowie Blutflecken und weinende Menschen. Nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde wurden zudem bei einem israelischen Raketenangriff zwei Frauen vor der Tür des Nasser-Kinderkrankenhauses getötet. Das israelische Militär äußerte sich zunächst nicht zu den beiden Vorfällen.
Israelische Armee attackiert Terrorzellen im Libanon
Israels Armee ihrerseits berichtete am Samstag von Raketenalarm in einem Kibbuz nahe dem Gazastreifen. Zudem sei Raketenalarm auch im Norden ausgelöst worden. Zuvor hatte die Armee aber Gefechte an der Grenze zum Libanon gemeldet. Israels Armee attackierte eigenen Angaben zufolge Terrorzellen im Libanon, die versucht hätten, Ziele in Israel anzugreifen. Das Militär habe zudem mehrere Raketenstarts aus dem Nachbarland registriert und die Orte des Beschusses angegriffen, wie die Armee auf Telegram mitteilte. Berichte über Verletzte gab es den Angaben nach zunächst nicht.
Bodengefechte im Gazastreifen
Im Gazastreifen tötete die israelische Armee nach eigenen Angaben bei einem weiteren Bodeneinsatz gegen die radikal-islamistische Palästinenser-Organisation Hamas "Dutzende Terroristen". Es habe am Vortag zahlreiche Versuche gegeben, die israelischen Truppen aus Tunnelschächten und militärischen Einrichtungen im nördlichen Gazastreifen anzugreifen, teilte die Armee am Samstagmorgen mit. Die Soldaten hätten Terroristen getötet, Waffen der Hamas gefunden und Tunnelschächte freigelegt, die für Terrorzwecke genutzt würden.
In der Nacht führte die israelische Armee zudem im südlichen Gazastreifen eine gezielte Razzia durch und sei auf eine Terrorzelle gestoßen. Das israelische Militär beschoss nach Angaben des Hamas-Radiosenders Al-Aksa darüber hinaus das Haus von Hamas-Chef Ismail Haniyeh. Dieser lebt seit 2019 nicht mehr im Gazastreifen und hält sich seitdem in der Türkei und in Katar auf.
Fluchtfenster für Zivilisten
Die israelische Armee nannte den Zivilisten im Gazastreifen am Samstag erneut ein Zeitfenster für die Flucht in den Süden des Küstengebiets. Einwohner hätten von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr Ortszeit (12.00 bis 15.00 Uhr MEZ) Zeit, um eine sichere Fluchtroute zu nutzen, schrieb ein israelischer Armeesprecher auf X in arabischer Sprache rund eine Stunde vor Beginn des Zeitfensters. Am vergangenen Wochenende hatte das Militär eine neue Phase im Krieg gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas eingeläutet und seine Einsätze am Boden ausgeweitet.
Neue Phase in Israels Vorgehen gegen Hamas-Terroristen
Die US-Regierung rechnet einem Medienbericht zufolge in den nächsten Tagen mit einer neuen Phase in Israels Vorgehen gegen die Hamas-Terroristen im Gazastreifen. Der US-Sender CNN berichtete in der Nacht auf Samstag unter Berufung auf einen ranghohen Regierungsbeamten in Washington, man rechne mit einer Reduzierung der Luftangriffe und einem stärkeren "taktischen Fokus auf die Bodenkampagne". Dabei dürfte es dem zitierten Beamten zufolge darum gehen, das riesige Netz unterirdischer Tunnelkomplexe zu räumen, von denen aus die Hamas operiere.
Seit den groß angelegten Terrorangriffen der im Gazastreifen herrschenden Hamas Anfang Oktober mit 1.400 Toten griff Israel eigenen Angaben zufolge mehr als 12.000 Ziele im Gazastreifen an. Inzwischen rücken auch Bodentruppen gegen Hamas-Terroristen und militärische Ziele vor.
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(APA/dpa/Reuters)