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Israel will hunderte Häftlinge freilassen

Nach einer stürmischen Debatte hat die israelische Regierung am Sonntag die Freilassung von etwa 350 weiteren palästinensischen Häftlingen gebilligt.

13 Minister stimmten für und acht Minister gegen einen entsprechenden Vorschlag des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet. Das Kabinett vereinbarte allerdings die Einrichtung eines Minister-Ausschusses, der entscheiden soll, welche Gefangene wann aus der Haft entlassen werden. Der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon wird die Freilassung der Häftlinge voraussichtlich am Mittwoch während eines Treffens mit seinem Amtskollegen Mahmud Abbas bekannt geben.

In Jerusalem trafen der israelische Verteidigungsminister Shaul Mofaz und der palästinensische Sicherheitschef Mohammed Dahlan zu ihrem ersten Arbeitstreffen zusammen. Bei dem Gespräch ging es um einen israelischen Abzug aus weiteren Städten des Westjordanlands sowie um die Modalitäten der Häftlingsfreilassungen. Etwa 1.200 Palästinenser demonstrierten in Gaza für die Freilassung ihrer Angehörigen. Ein Sprecher sagte, die Freilassung sei eine Bedingung zur Einhaltung des Waffenstillstands mit Israel. Derzeit sitzen rund 5.000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen.

Die Palästinenser fordern einen Abzug aus allen Städten innerhalb von sechs Wochen, um dort die seit einem halben Jahr verschobenen Wahlen abhalten zu können. Mofaz besteht hingegen darauf, dass die palästinensischen Sicherheitskräfte ihre Fähigkeiten im Kampf gegen die Extremistengruppen beweisen, bevor die Armee sich weiter zurückzieht. Dahlan will jedoch einen Abzug Israels aus Ramallah und Hebron noch in dieser Woche durchsetzen. In der vergangenen Woche hatten seine Sicherheitskräfte die Kontrolle im Gaza-Streifen und Bethlehem übernommen.

Der israelische Geheimdienst hatte dem Kabinett eine Liste von etwa 350 freizulassenden Häftlingen vorgelegt. Eine erste Abstimmung über die Kriterien von Shin Bet zur Freilassung endete unentschieden. Erst nach Einfügung der Klausel „unter der Bedingung, dass die Palästinenser sich an die Vereinbarungen halten“, ließen sich mehrere Minister umstimmen.

Sharon betonte vor der Abstimmung, es sollten keine Palästinenser freigelassen werden, die Israelis getötet haben und die als „unmittelbare Bedrohung“ Israels gelten. Auch Mitglieder der Extremistengruppen Hamas und Islamischer Dschihad sollten in Haft bleiben. Abbas traf am Samstagabend erstmals seit seinem Amtsantritt im März mit dem Hamas-Gründer Ahmed Yassin zusammen, um über die Freilassung der Häftlinge zu sprechen.

Als eine der letzten militanten Palästinensergruppierungen schloss sich am Sonntag das palästinensische Volkswiderstandskomitee der dreimonatigen Waffenruhe mit Israel an. Eine andere Gruppe, die radikale Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), dementierte unterdessen israelische Berichte, nach denen sie ebenfalls zur Einhaltung der Waffenruhe bereit sei.

Nach dem israelischen Rückzug aus dem nördlichen Gazastreifen und Bethlehem in der vergangenen Woche kam es am Wochenende zu keinen größeren Zwischenfällen. Nach einer Explosion im Gazastreifen, bei der ein Palästinenser getötet und ein weiterer verletzt wurde, äußerte die israelische Armee am Samstag den Verdacht, die Palästinenser hätten einen Sprengsatz für einen Anschlag vorbereitet. Die palästinensische Polizei erklärte dagegen, die beiden Männer hätten versehentlich einen von den Israelis zurückgelassenen Sprengsatz ausgelöst.

Militante Palästinenser töteten am Sonntag in Ramallah einen mutmaßlichen Kollaborateur mit Israel, als dieser vor einem Gericht der Autonomiebehörde stand. Im Westjordanland wurde am Samstag ein israelischer Schützenpanzer mehr als eine Stunde beschossen. Die Besatzung konnte erst durch eintreffende Verstärkung gerettet werden.

Am Freitag stießen palästinensische Polizisten erstmals seit In-Kraft-Treten des Waffenstillstands bei einer Festnahme auf bewaffneten Widerstand. Drei Personen wurden bei dem Feuergefecht in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen verletzt, wie aus Polizeikreisen verlautete. Die Polizisten wollten einen Mann festnehmen, der für den Mörserangriff auf eine jüdische Siedlung verantwortlich gewesen sein soll.

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