Israelische Soldaten nahmen am Donnerstag im besetzten Westjordanland unter anderem den palästinensischen Bildungsminister Naser al-Shaer, den Bürgermeister von Nablus und seinen Stellvertreter sowie mindestens drei Abgeordnete fest. Mit den Festnahmen sowie weiteren Luftangriffen auf den Gaza-Streifen reagierte Israel offenbar auf den anhaltenden Raketenbeschuss durch militante Palästinenser, für dessen Ende der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas zuvor vergebens geworben hatte.
Die israelischen Streitkräfte erklärten, die festgenommenen Hamas-Politiker würden verhört. Die Hamas-Terrororganisation ist gegenwärtig an einer Ausweitung der Terror-Infrastruktur in der Region beteiligt, basierend auf einem Modell, das im Gaza-Streifen angewendet wird. Die Organisation nützt Regierungsinstitutionen aus, um Terror-Aktivität zu ermutigen und zu unterstützen, begründete das Militär sein Vorgehen. Ein Regierungsvertreter kündigte weitere Gefangennahmen an. Im vergangenen Juni hatte Israel rund 40 Abgeordnete der Hamas festgenommen, fast ein Drittel des palästinensischen Parlaments. Sie befinden sich noch immer in Gewahrsam.
Festnahmen seien besser als Blutvergießen, betonte Israels Verteidigungsminister Amir Peretz. Abbas nannte die Festnahmen einen Schlag gegen die Friedensbemühungen. Die palästinensische Regierung, an der neben der Hamas auch die als gemäßigt geltende Fatah von Abbas beteiligt ist, forderte die Freilassung der Gefangenen. Regierungssprecher Ghazi Hamad sprach von einer israelischen Aggression, die die Region weiter in die Spirale der Gewalt treibe.
Die Hamas wirft Israel zudem vor, durch seine Aktionen im innerpalästinensischen Machtkampf Partei für Abbas und seine Fatah zu ergreifen. Bei Kämpfen der rivalisierenden Organisationen waren unlängst etwa 50 Menschen ums Leben gekommen.
Israelische Kampfflugzeuge zerstörten am Mittwochabend zwei Geldwechselstuben und andere Geschäfte in der Stadt Gaza, die nach Darstellung der Streitkräfte zum Finanzsystem der Hamas gehörten. Die zerstörten Wechselstuben seien für die Überweisung von mehreren Millionen Dollar zur Bewaffnung und Ausbildung von Hamas-Kämpfern genutzt worden. Die Mittel seien aus dem Iran, aus Syrien und aus dem Libanon gekommen, erklärten die israelischen Streitkräfte. Bei den Angriffen wurden drei Palästinenser leicht verletzt.
Ein dritter Luftangriff auf die Stadt Gaza richtete sich gegen ein Auto, dessen Insassen vom Geräusch der Raketen gewarnt wurden und in letzter Minute fliehen konnten. Am Donnerstag wurde ein Palästinenser bei Beit Lahiya von Schüssen aus einem israelischen Panzer getötet, wie aus Krankenhauskreisen verlautete. Eine Frau erlag laut Gesundheitsministerium den Verletzungen, die sie bei einem Luftangriff in der vergangenen Woche erlitten hatte.
Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana wollte noch am Donnerstag mit Abbas in Gaza zusammen treffen. Später stand ein Treffen mit dem israelischen Premier Ehud Olmert auf dem Programm. In Berlin forderte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einen sofortigen Stopp der Raketenangriffe aus den palästinensischen Gebieten auf Israel. Dieser Beschuss muss aufhören, er muss erneuten Versuchen zur Vertrauensbildung Platz machen, sagte sie am Donnerstag in einer Regierungserklärung zum G-8-Gipfel. Gewalt führe zu keiner Lösung der Probleme.
Die EU verlängerte unterdessen ihre Beobachtermission am Grenzübergang Rafah im südlichen Gaza-Streifen um ein Jahr. Die Beobachtermission EUBAM (European Border Assistance Mission) ist seit Dezember 2005 in Rafah im Einsatz und wurde nun vorerst bis zum 24. Mai 2008 bestätigt.