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Israel startet Bodenoffensive auf Gaza-Stadt

Israelische Armee beginnt Bodenoffensive im Zentrum von Gaza.
Israelische Armee beginnt Bodenoffensive im Zentrum von Gaza. ©AFP; Canva
Israels Militär hat am Dienstag den Beginn einer Bodenoffensive in der Stadt Gaza bestätigt. "Wir rücken Richtung Zentrum (der Stadt Gaza) vor", sagte ein Militärvertreter.
UNO-Kommission wirft Israel Genozid im Gazastreifen vor

Die Armee habe in der Nacht auf Dienstag die "Hauptphase" des Kampfes in der Stadt gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas gestartet. Man gehe von "2.000 bis 3.000" Kämpfern der Hamas in dem Gebiet aus. Ziel sei es, die Hamas-Kräfte in diesem Gebiet auszuschalten.

"Es ist wie eine Flucht vom Tod in den Tod, deshalb gehen wir nicht weg"

Nach Angaben der von der radikal-islamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden im Gazastreifen wurden in den ersten Stunden des Angriffs mindestens 40 Menschen getötet. Israel erneuerte seine Aufrufe an die Zivilbevölkerung, das Gebiet zu verlassen, woraufhin lange Kolonnen von Palästinensern in Richtung Süden strömten. "Sie zerstören Wohntürme, die Säulen der Stadt, Moscheen, Schulen und Straßen", schrieb der 70-jährige Abu Tamer in einer Textnachricht. "Sie löschen unsere Erinnerungen aus." Andere Einwohner blieben jedoch zurück. "Es ist wie eine Flucht vom Tod in den Tod, deshalb gehen wir nicht weg", sagte eine Frau im Vorort Sabra.

"Gaza brennt", schrieb Verteidigungsminister Israel Katz zuvor auf Telegram. Die Soldaten kämpften, "um die Voraussetzungen für die Freilassung der Geiseln und die Niederlage der Hamas zu schaffen". Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte bei einem Prozess in Tel Aviv laut Medien, Israel habe "eine intensive Operation in der Stadt Gaza begonnen".

Die Pläne für die Offensive waren nicht nur international auf Kritik, sondern offenbar auch innerhalb der israelischen Führung auf Bedenken gestoßen. Generalstabschef Eyal Zamir hatte Netanyahu einem Bericht zufolge bei einem Treffen am Sonntagabend noch gedrängt, ein Abkommen für eine Waffenruhe mit der radikal-islamischen Hamas anzustreben. Auch in der israelischen Bevölkerung wuchs der Protest.

Berichte über ununterbrochenes Bombardement

Israelische Kampfflugzeuge flogen in der Nacht laut der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA nahezu ununterbrochen heftige Attacken auf die im Norden des Gazastreifens gelegene Stadt, begleitet von Artilleriebeschuss. Palästinensischen Medienberichten zufolge drangen danach Panzer in die Stadt ein. Eine Bestätigung der israelischen Armee dafür lag zunächst nicht vor.

Die israelische Nachrichtenseite Walla berichtete unter Berufung auf einen Mitarbeiter des Militärgeneralstabs, es habe "eine intensive Operation begonnen, die vielfältiges Feuer gegen zahlreiche Terrorziele umfasst". Und dies sei "erst der Anfang". Nach israelischen Medienberichten waren die schweren Explosionen im Norden des Gazastreifens auch in Israel zu hören.

Kurz zuvor hatte US-Außenminister Marco Rubio Zweifel geäußert, ob der Gaza-Krieg auf diplomatischem Wege beendet werden kann. "Wenn es also nicht auf diese Weise endet, dann muss es durch einen militärischen Einsatz beendet werden", wurde er nach einem Gespräch mit dem US-Sender Fox News während seines Aufenthalts in Israel zitiert. Er glaube, dass Israel diesen Weg selbst nicht bevorzuge.

Angehörige der Geiseln: Es könnte ihre letzte Nacht sein

Das Forum der Angehörigen der von der islamistischen Terrororganisation Hamas festgehaltenen Geiseln äußerte große Besorgnis angesichts der Berichte über die begonnene Einnahme der Stadt Gaza. Nach 710 Nächten in der Gewalt von Terroristen "könnte heute Nacht die letzte Nacht für die Geiseln sein", hieß es in einer Erklärung des Forums. Netanyahu entscheide sich bewusst dafür, "sie aus politischen Erwägungen zu opfern". Er ignoriere dabei völlig die Einschätzungen des Generalstabschefs und der Sicherheitsbehörden, hieß es in der Mitteilung weiter. Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, sind gegen eine Waffenruhe.

Israelische Medien berichteten indes unter Berufung auf palästinensische Quellen, die Hamas habe Geiseln aus unterirdischen Tunneln geholt und in Häuser und Zelte in der Stadt gebracht, um die israelische Armee an Einsätzen in bestimmten Gebieten zu hindern. Die Mutter eines verschleppten Mannes sagte Medien zufolge, ihr Sohn werde in Gaza als menschlicher Schutzschild missbraucht.

Im Gazastreifen befinden sich noch 48 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen nach israelischen Informationen noch 20 am Leben sind. Viele von ihnen befänden sich jetzt in der Stadt Gaza, hieß es in der Erklärung des Forums der Angehörigen. Ministerpräsident Netanyahu trage die persönliche Verantwortung für das Schicksal der Geiseln. "Das israelische Volk wird die Opferung der Geiseln und Soldaten nicht verzeihen", hieß es weiter.

Zahlreiche Hochhäuser zerstört

Die israelische Armee hatte in den vergangenen Tagen ihre Luftangriffe in der Stadt und ringsherum schrittweise ausgeweitet und zuletzt begonnen, zahlreiche Hochhäuser in der Stadt zu zerstören. Sie wirft der Hamas vor, dort Beobachtungsposten eingerichtet und Sprengsätze platziert zu haben. Bodentruppen schickte die israelische Armee bisher nicht in die dicht besiedelte Stadt.

US-Außenminister Rubio sagte dem Sender Fox News, der Krieg werde enden, wenn alle Geiseln ausgehändigt würden, die Hamas ihre Waffen niederlege und sich auflöse. "Im Idealfall, in einer perfekten Welt, würde man dies durch ein diplomatisches Abkommen erreichen." Dies sei jedoch nicht eingetreten.

Mindestens 64.900 Palästinenser getötet

Der Gaza-Krieg begann mit dem Überfall der Hamas und weiterer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seither sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums mindestens 64.900 Palästinenser in dem Küstengebiet getötet worden, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Kritiker werfen Israel Kriegsverbrechen und teils gar Völkermord vor. Israels Regierung betont dagegen, sie bekämpfe ausschließlich die Hamas, während Zivilisten von der Terrororganisation als "menschliche Schutzschilde" missbraucht würden.

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(APA/dpa)

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