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Israel: Schwere Niederlage für Sharon

Der von der israelischen Regierung betriebene Bau von Sperranlagen zu den palästinensischen Gebieten ist vom Obersten Gerichtshofs in Jerusalem in einem Teilstück verworfen worden.

Der geplante Verlauf des Walls füge der örtlichen Bevölkerung zu großes Leid zu und müsse daher geändert werden, erklärten die höchsten Richter am Donnerstag in einem Präzedenzfall, betreffend ein 40 Kilometer langes Teilstück zwischen Jerusalem und dem Westjordanland. Für das Sicherheitskonzept von Ministerpräsident Ariel Sharon bedeutet dies einen erheblichen Rückschlag.

Die israelische Regierung will mit der Sperrmauer palästinensische Selbstmordattentäter daran hindern, nach Israel einzudringen. Die Palästinenser bezeichnen den Zaun mit seinen Gräben und Stacheldrahtverhauen als Landraub. Im Kernsatz des Obersten Gerichts heißt es nun: „Die Route stört das empfindliche Gleichgewicht zwischen der Verpflichtung eines militärischen Befehlshabers, die Sicherheit zu erhalten und seine Verpflichtung gegenüber den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung.“ Sie verletze die Anwohner „in einer akuten und schweren Art und Weise und zugleich ihre Ansprüche auf die Einhaltung von Menschen- und Völkerrechten“, hieß es.

Ein Anwalt der Kläger, Mohammed Dahla, sagte, als Konsequenz aus dem Urteil müssten 30 Kilometer des 40 Kilometer langen Teilstücks neu konzipiert werden. Im israelischen Rundfunk hieß es, drei Kilometer müssten sogar wieder abgerissen werden. Der zum Teil tief ins Westjordanland hineinreichende Zaun versperrt mehreren tausend Palästinensern den Zugang zu Arbeitsplätzen, Bauernhöfen, Feldern und Schulen. Laut Oberstem Gericht ist dies „nicht verhältnismäßig“. Die Auswirkungen auf das Alltagsleben der Bevölkerung könnten „durch eine alternative Route entscheidend gemindert werden“.

Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Korei forderte erneut den Abriss der ganzen Anlage. Es gehe nicht um den Verlauf des Sperrwalls, sagte Korei in Ramallah. Die „Mauer der rassistischen Teilung“ müsse abgerissen, nicht verlegt werden. Hierzu gebe es „keine Alternative“. Die palästinensische Seite kritisiert auch, dass die Anlage einer endgültigen Grenzziehung vorgreife. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag will am 9. Juli sein Gutachten über die Rechtmäßigkeit der Anlage veröffentlichen.

Das israelische Verteidigungsministerium teilte mit, es werde die Gerichts-Entscheidung respektieren und „einen neuen Verlauf“ der Sperranlage verfügen. Die für die Sicherheit Verantwortlichen würden aber alles tun, um „Terroranschläge“ zu verhindern und die Sicherheit der israelischen Bürger zu gewährleisten. Der militärische Chefplaner der Sperranlage Dani Tirsa, sagte, die Entscheidung werde den Bau des Teilstücks um viele Monate verzögern. Alles werde auf den früheren Stand zurück gebaut, die Palästinenser würden entschädigt. Der Logistik-Chef des Heeres, Brigadegeneral Eran Ofir, schloss nicht aus, dass das Urteil Auswirkungen auch auf andere Teilstücke haben könnte.

Als Reaktion auf den ersten tödlichen palästinensischen Raketenangriff auf Israel riegelte die Armee unterdessen die im nördlichen Gaza-Streifen gelegene Stadt Beit Hanun weiter ab. Bereits am Dienstag waren Truppen in die 21.000 Einwohner zählende Stadt einmarschiert. Straßen wurden blockiert und aufgerissen. Am Montag waren im nahe gelegenen Sderot zwei Israelis bei einem Raketenangriff getötet worden. Am Dienstag wurde die Grenzstadt erneut während eines Besuchs von Scharon angegriffen. Es ist die bisher achte israelische Großaktion in Beit Hanun. Bei vorangegangenen Einsätzen waren große landwirtschaftliche Flächen zerstört worden.

Der UN-Sicherheitsrat verlängerte das Mandat der UN-Friedenstruppe entlang der israelisch-syrischen Grenze bis Ende des Jahres. In einem Bericht hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan kürzlich die Lage auf den Golan-Höhen als „allgemein ruhig“ bezeichnet. Wegen der angespannten Situation im Nahen Osten seien die 1.050 Blauhelm-Soldaten aber weiter unverzichtbar.

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