Israel rutscht nach rechts
Über Israels Botschafter ließ er US-Präsident George W. Bush versichern, er werde auch nach dem Ausscheiden der Arbeitspartei „keine extremistische Regierung bilden“. Doch alle Versprechen des 74-jährigen halfen nichts. Das Ende der großen Koalition zwischen Sharon und der Arbeitspartei hat für Israel und den gesamten Nahen Osten eine Periode der politischen Unsicherheit eingeläutet.
Noch bevor Sharon mit der Bildung einer neuen Regierung begonnen hat, sagen die Auguren bereits ihr frühes Ende voraus. Denn Sharon, der 20 Monate auf das Stimmenpolster der Arbeitspartei und ihrer 25 Abgeordneten bauen konnte, hat mit dem Ausscheiden von Shimon Peres und Co. über Nacht sein politisches „Feigenblatt“ verloren. Ohne die beruhigenden Erklärungen des Nobelpreisträgers im Ausland und den mäßigenden Druck seiner Partei ist der Regierungschef den geballten Forderungen der rechten Koalitionspartner hilflos ausgeliefert.
Das Gesicht des „hässlichen Israelis“, das Sharon selbst und die meisten seiner Koalitionspartner für seine Kritiker im Ausland repräsentierten, werde Israels Position international schwächen, warnen Kommentatoren. Fortschritte im Friedensprozess sind mit einer weit rechts stehenden Regierung in Jerusalem kaum zu erwarten. Der Führer der ultrarechten Fraktion Nationale Union/Unser Haus Israel, Avigdor Liebermann, machte nach dem Koalitionsbruch deutlich, dass er der Koalition nicht beitreten will: „Sie ist mir nicht rechts genug“, sagte er der Zeitung „Yediot Aharonot“. Er will, dass Israel zuvor offiziell alle mit den Palästinensern eingegangenen Verträge für ungültig erklärt. Liebermanns Fraktion ist zur Zeit die einzige Alternative für Sharon, wenn dieser eine mehrheitsfähige Koalition bilden möchte.
„Sharon, der bisher im politischen Himmel lebte, wird jetzt die Koalitionshölle kennen lernen, mit all ihren Erpressungsversuchen, Forderungen, Drohungen, nicht zu vergessen einer linken Opposition, die jetzt um 25 Abgeordnete angeschwollen ist“, warnte die Zeitung „Maariv“. Der Politiker, der den Ruf des rechten „Bulldozers“ in den 20 Monaten seiner Regierung nicht loswerden konnte, könnte in einer neuen Koalition fast schon zum linken Flügel gehören.
Dabei brauchte Sharon Neuwahlen nach allen Umfragen nicht zu scheuen. Seine Likud-Partei könnte sogar stärkste Fraktion werden. Die Arbeitspartei von Ex-Minister Ben-Eliezer steht im November bei der Urabstimmung über ihren neuen Vorsitzenden vor der Zerreißprobe. Doch hinter Sharon lauert der frühere Premier und Ex-Likud-Chef Benjamin Netanyahu darauf, den alten Rivalen entmachten zu können.
Sharon versuchte bereits kurz nach dem Ende der großen Koalition den Eindruck eines gewaltigen Rechtsrucks zu vermeiden. Noch am Mittwoch hatte er angekündigt, dass sich an den mit der Arbeitspartei getroffenen Koalitionsvereinbarungen zur Nahostpolitik nichts ändern werde. Doch der Versuch, den müde wirkenden Shimon Peres als persönlichen Botschafter zu gewinnen, scheiterte. Jetzt, so hieß es am Freitag, wolle er seinem Rivalen Netanyahu das Außenamt anbieten:
In der Gewissheit, dass der ehrgeizige Rechtspolitiker dies ablehnt.
Um seine Parteirechte zu besänftigen, bot der Premier das vakante Amt des Verteidigungsministers dem bisherigen Generalstabschef Shaul Mofas an, der als Armeechef Israels Militärstrategie gegenüber den Palästinensern entscheidend prägte. Mofas, der zusammen mit Sharon die Entmachtung Arafats propagiert und sogar seine Deportation gefordert hat, gilt als treibende Kraft bei der militärischen Eskalation des Konflikts mit den Palästinensern.
Die Vorstellung, dass Sharon und Mofas künftig an einem Kabinettstisch sitzen werden, und dies ohne den mäßigenden Einfluss der Arbeitspartei, versetzt die Palästinenser in Angst und Schrecken. Schließlich konnte selbst die Anwesenheit eines Shimon Peres die Besetzung und weitgehende Zerstörung der Autonomiebehörde nicht verhindern.