Darum geht's:
- Israel erhöht sofortige Gaza-Hilfen nach US-Druck
- Öffnung von Grenzübergängen und Hafen für Hilfsgüter
- EU und Deutschland fordern schnelle Umsetzung
Laut einer Mitteilung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu würden vorübergehend der Hafen von Ashdod im Süden Israels sowie der Grenzübergang Eretz im Norden des Gazastreifens geöffnet. Außerdem wurde die erweiterte Einreise von Hilfsgütern aus Jordanien über den Grenzübergang Kerem genehmigt, hieß es.
US-Präsident Biden fordert konkrete Maßnahmen
Diese unmittelbaren Maßnahmen für mehr humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung des Gazastreifens seien bei einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am späten Donnerstagabend beschlossen worden, hieß es in der israelischen Erklärung weiter. "Diese verstärkte Hilfe wird eine humanitäre Krise verhindern und ist unerlässlich, um die Fortsetzung der Kämpfe zu gewährleisten und die Ziele des Krieges zu erreichen", zitierte die israelische Zeitung "Haaretz". Der Grenzübergang Eretz war seit seiner Zerstörung während des Großangriffs von palästinensischen Extremisten auf Israel am 7. Oktober geschlossen.
Die Ankündigung erfolgte kurz nach einem Telefonat zwischen US-Präsident Joe Biden und Netanyahu. In dem Gespräch hatte Biden den israelischen Regierungschef nach Angaben des Weißen Hauses aufgefordert, eine Reihe "spezifischer, konkreter und messbarer Schritte" zu unternehmen, um das Leid für die Menschen im Gazastreifen zu verringern und den Schutz von Helfern zu erhöhen. Die künftige US-Politik in Bezug auf den Gazastreifen hänge davon ab, wie Israel diese Maßnahmen umsetze, warnte Biden.
"Anzahl an Trucks" beobachten
US-Außenminister Antony Blinken ergänzte in Brüssel: "Wenn wir nicht die Änderungen sehen, die wir sehen müssen, wird unsere Politik geändert." Am Freitag begrüßte Blinken die Entscheidung Israels. Sie sei eine positive Entwicklung. Wichtig sei aber, dass den Worten Taten folgten. Man werde die "Anzahl an Trucks" beobachten, die nach Gaza kämen, so Blinken. Außerdem sollten Indikatoren für eine mögliche Hungersnot überwacht werden.
Es war das erste Mal, dass die USA eine Unterstützung für die israelische Offensive gegen die radikal-islamische Hamas von Bedingungen abhängig machten. Die Regierung in Washington hat sich in den vergangenen Wochen zunehmend ungehaltener über das israelische Vorgehen geäußert. Zuletzt hatte sie einen israelischen Luftangriff scharf kritisiert, bei dem Anfang der Woche Mitarbeiter einer Hilfsorganisation im Gazastreifen getötet worden waren.
Das US-Präsidialamt begrüßte die Entscheidung der israelischen Regierung für mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen umgehend. Wie die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Adrienne Watson, am Donnerstag (Ortszeit) in einer Erklärung mitteilte, hatte Netanyahu die Schritte nach dem Telefongespräch mit Präsident Biden angekündigt. "Diese Schritte, einschließlich der Zusage, den Hafen von Ashdod für die direkte Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen zu öffnen, den Grenzübergang Eretz als eine neue Route zu öffnen, über die Hilfsgüter in den nördlichen Gazastreifen gelangen können, und die Lieferungen aus Jordanien direkt in den Gazastreifen deutlich zu erhöhen, müssen nun vollständig und rasch umgesetzt werden", teilte Watson mit.
EU und Deutschland drängen auf schnelle Umsetzung
Die US-Regierung sei bereit, in Abstimmung mit der israelischen Regierung, den Regierungen Jordaniens und Ägyptens, den Vereinten Nationen und humanitären Organisationen zusammen zu arbeiten, um die Umsetzung sicherzustellen. Ziel sei es, dass in den kommenden Tagen und Wochen deutlich mehr humanitäre Hilfe die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen erreiche.
Von der EU-Kommission kam am Freitag die Aufforderung, Israel möge die angekündigten Maßnahmen für mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen schnell umsetzen. Man habe die israelischen Pläne zur Kenntnis genommen, hieß es von der Brüsseler Behörde. Diese Schritte sollten rasch und vollständig umgesetzt werden.
"Hunger als Kriegsinstrument"
Man appelliere auch an alle Akteure in der Region, den Zustrom humanitärer Hilfe in den Gazastreifen dringend deutlich zu erhöhen. Die Kommission werde "ihre intensive Arbeit mit regionalen und globalen Partnern, den Vereinten Nationen und Partner-Nichtregierungsorganisationen fortsetzen, um die Hilfslieferungen nach Gaza über alle möglichen Wege" zu erhöhen.
EU-Ratspräsident Charles Michel gehen die geplanten Maßnahmen Israels nicht weit genug. "Die Ankündigung Israels, den Grenzübergang Eretz vorübergehend wieder zu öffnen und die Einfuhr von Hilfsgütern über den Hafen Ashdod zuzulassen, reicht nicht aus", teilte er auf der Plattform X (früher Twitter) mit. "Kinder und Kleinkinder im Gazastreifen sterben an Unterernährung. Um dem Hunger als Kriegsinstrument im Gazastreifen ein Ende zu setzen, bedarf es dringender und erheblicher Anstrengungen."
Humanitäre Krise im Gazastreifen verschärft sich
Die deutsche Bundesregierung hat Israel ebenso zur raschen Umsetzung seiner Ankündigung aufgefordert, mehr humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen. Das "ist wichtig und richtig, aber es ist natürlich auch überfällig", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin. Die Bundesregierung erwarte nun, dass von der israelischen Regierung rasch Taten folgten. "Die Menschen in Gaza brauchen jedes Hilfspaket und deshalb erwarten wir, dass die israelische Regierung ihre Ankündigungen rasch umsetzt", fügte der Sprecher hinzu.
Zu Wochenbeginn hatte das israelische Militär sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen im Gazastreifen getötet, die dort für die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln unterwegs waren. Israel sprach von einem unabsichtlichen Treffer und einem schweren Fehler. US-Präsident Biden machte der dortigen Führung schwere Vorhaltungen und betonte, Israel habe nicht genug getan, um humanitäre Helfer und die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schützen.
"Dauerhafte Behinderungen"
Nach israelischen Angaben von vergangener Woche haben extremistische Palästinenser seit dem 7. Oktober, als die Hamas und andere militante Palästinenser-Organisationen ein Massaker in Israel mit rund 1.200 Toten verübt hatten, mehr als 15.000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Seit dem Großangriff geht die israelische Armee mit einer Großoffensive im Gazastreifen gegen die Terroristen vor. Mehr als 130 Geiseln von ursprünglich 250 in den Gazastreifen verschleppten Menschen sollen sich noch in der Gewalt der Hamas und anderer Gruppen befinden. Knapp 100 Entführte dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.
Im Zuge der israelischen Gegenoffensive wurden große Teile des Küstengebietes zerstört. Mehr als die Hälfte der rund 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens leben im Raum Rafah im Süden in Zelten und haben kaum Nahrung oder medizinische Grundversorgung. Die Hilfsorganisation Handicap International warnte am Freitag in einer Aussendung vor der mangelnden Versorgung für Verwundete: "Es besteht kein Zweifel daran, dass viele Verletzte eine dauerhafte Behinderung davontragen werden."
(APA/dpa/Reuters)