Israel kennt kein Pardon
Wohnungseigentümer Riad Mahlouf hatte ganz einfach Pech: Er war zusammen mit seinem kürzlich operierten Bruder Fuad während der Ausgangssperre in dem Vorort von Ramallah im Westjordanland kurz weg gewesen, um Medikamente zu kaufen. Ihre Frauen und Kinder hatten die beiden Brüder angesichts der andauernden israelischen Angriffe weitab von Ramallah in Sicherheit gebracht. Fuads Wohnung liegt neben der von Riad.
Der im gleichen Stockwerk wohnende Ahmed Hussein ist empört: „Die Soldaten haben allen Bewohnern zugerufen, sie sollten aus ihren Wohnungen ’rausgehen, die Türen offenlassen und auf die Straße kommen. Ich hab’ ihnen gesagt, dass die Brüder Mahlouf vor gerade zehn Minuten fortgegangen seien und ich sie holen könnte, weil sie in der Nähe seien. Aber sie wollten nichts hören.“
Die Soldaten befestigten zwei Sprengsätze an den Metall-Wohnungstüren. Durch die Wucht der Explosion wurden die Türen aus den Angeln gerissen, Mauern und Treppenhaus beschädigt. Die Durchsuchung konnte beginnen. „Warum haben sie das getan? Hier wohnen doch nur palästinensische Familien, die niemandem etwas zu Leide tun“, klagt Hussein. Der 38-jährige Riad Mahlouf, ein Tischler und vierfacher Familienvater, führt durch seine völlig verwüstete Wohnung. In den fünf Zimmern haben die Soldaten den Inhalt von sämtlichen Schränken und Schubläden ausgekippt und die Matratzen umgedreht. Überall sind Glassplitter. Ein Schild mit der Inschrift ’God bless our home’ (Gott segne unser Haus) liegt auf dem Boden.
Im Kinderzimmer herrscht ein heilloses Durcheinander. Spielzeug, Schulsachen, Malstifte, Murmeln und schmutzige Wäsche haben die Soldaten quer durch den Raum verstreut. Zwei Wasserpistolen, die etwas abseits liegen, fanden sie anscheinend besonders verdächtig. Immerhin hat das Durchsuchungskommando offenbar nichts mitgehen lassen. Andere Bewohner von Ramallah haben an Razzien beteiligte Soldaten wiederholt beschuldigt, Schmuck oder Geld gestohlen zu haben. Die Vorwürfe konnten nicht überprüft werden.
Bei den Razzien in den von der Armee wieder besetzten palästinensischen Städten suchen die Soldaten nach versteckten Waffen und „Terroristen“. Haus um Haus, Wohnung um Wohnung werden systematisch durchkämmt. Türen, die sich nicht öffnen, werden in die Luft gesprengt oder mit Maschinengewehren sturmreif geschossen. Aus Furcht vor möglichen Hinterhalten oder palästinensischen Heckenschützen sind viele Soldaten übernervös. Meist wird nicht lange gefackelt und sicherheitshalber Dynamit eingesetzt. In den vergangenen Tagen waren in dem zum militärischen Sperrbezirk erklärten Ramallah immer wieder Detonationen zu hören. In Bethlehem erschossen israelische Soldaten kürzlich eine palästinensische Mutter und ihren Sohn. Nach Aussagen von Familienmitgliedern und Nachbarn hatten sie sich geweigert, die Tür ihres kleinen Geschäfts zu öffnen. Ihre Leichen lagen hinter der Eisentür. Sie wiesen 18 Einschusslöcher auf.