Nachdem sich einige bisher unentschlossene Minister auf die Seite der Rückzugsgegner geschlagen hätten, verfüge Sharon im Kabinett derzeit nicht über eine Mehrheit für den Plan, sagte Handelsminister Ehud Olmert am Freitag im Rundfunk. Die 23 Minister sollen am Sonntag über den Rückzug aus dem Gazastreifen abstimmen.
Sharon will dabei seine Minister doch über den ganzen von ihm überarbeiteten Plan für eine Räumung des Gazastreifens abstimmen lassen, meldeten israelische Medien. Zunächst hatte es geheißen, der Regierungschef wolle die Kabinettsmitglieder nur um die Billigung der ersten Stufe des Plans bitten, die eine Räumung von lediglich drei Siedlungen im Gazastreifen vorsieht. Der gesamte Plan sieht eine schrittweise Räumung aller jüdischen Siedlungen im Gazastreifen und vier weiterer Siedlungen im Westjordanland vor.
Hintergrund der neuen Entscheidung Sharons ist nach Medienberichten ein Machtkampf mit dem israelischen Finanzminister Benjamin Netanyahu, der als Sharons stärkster Rivale innerhalb der eigenen Likud-Partei gilt. Netanyahu hatte am Donnerstag nach einem Treffen mit Sharon gesagt, er wolle nur die erste Stufe unterstützten. Zusammen mit den restlichen Phasen handele es sich im Grunde um den gleichen Plan, den die Likud-Mitglieder zurückgewiesen haben, nur in mehrere Schritte aufgeteilt. Dies könne er nicht mittragen. Bei einer Urabstimmung hatte die Partei am 2. Mai Sharons Räumungsplan mit großer Mehrheit abgelehnt.
Der israelische Rundfunk zitierte einen ranghohen Regierungsvertreter mit den Worten, Sharon sei fest entschlossen, seinen Plan durchzuboxen. Angesichts der neuen Entwicklung herrsche innerhalb des politischen Systems Hochspannung, schrieb die Zeitung Yediot Ahronot in ihrer Online-Ausgabe. Am Montag ist im Parlament ein Misstrauensvotum gegen die Regierung Sharon angesetzt.
Die siedlerfreundliche Nationalreligiöse Partei deutete an, sie werde die Koalition verlassen, selbst wenn nur drei der 21 Siedlungen geräumt werden sollten. Die Kommentatoren der israelischen Zeitungen sprachen von einem möglichen Sturz des Regierungschefs und sahen sogar die Möglichkeit von Neuwahlen. Das Ende Sharons, titelte die Zeitung Haaretz. Die oppositionelle Arbeiterpartei, die einen Abzug aus dem Gazastreifen unterstützt, wurde als möglicher Koalitionspartner genannt, falls konservative Parteien die Regierung verlassen sollten.
Im Grenzgebiet zwischen dem Gazastreifen und Ägypten wurde am Freitag ein Bombenanschlag auf einen mit Israelis besetzten Bus verübt. Der Attentäter kam ums Leben, zwei Soldaten wurden leicht verletzt, wie die israelischen Streitkräfte mitteilten. Der Angreifer sei zunächst aus einem Auto gesprungen und habe auf den Bus geschossen, hieß es. Dann sei der Wagen explodiert.