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Israel: Druck auf Sharon wächst

Der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon gerät nach dem Verlust seiner Mehrheit im Parlament unter immer größer werdenden Druck, endlich eine große Koalition zu bilden.

Israelische Medien berichteten am Donnerstag, Sharons größter Koalitionspartner, die liberale Shinui-Partei, habe mit einem Ausscheiden aus der Regierung gedroht. Der Shinui-Vorsitzende Tommy Lapid fordert von Sharon eine Aufnahme der Arbeitspartei in die Koalition oder Neuwahlen.

Den Berichten zufolge drohte Lapid mit dem Austritt aus der Regierung, sollte Sharon der ultra-orthodoxen Partei Thora-Judentum tatsächlich mehrere hundert Millionen Schekel (1 Schekel = 0,174 Euro) für eine Unterstützung bei der Abstimmung über den Haushalt 2005 übermitteln. Er forderte von Sharon stattdessen gegen den Widerstand von Likud-Hardlinern die Wiederaufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der oppositionellen Arbeiterpartei. Wenn der Haushalt wegen mangelnder Unterstützung aber nicht gebilligt werden sollte, würde die Regierung ebenfalls stürzen.

Sharon hatte dem Vorsitzenden der Arbeiterpartei Shimon Peres mitgeteilt, er könne seine Partei gegenwärtig nicht in die Koalition aufnehmen. Innerhalb der Likud-Partei gibt es einen starken Widerstand gegen eine große Koalition. Die Arbeiterpartei hat die Regierung Sharons nach dem Verlust der Mehrheit bisher vor Niederlagen im Parlament bewahrt, weil sie den von Sharon angekündigten Abzug israelischer Siedler aus dem Gazastreifen unterstützt.

Unterdessen sorgte der israelische Präsident Moshe Katzav für Aufsehen: Der Staatspräsident sprach sich am Donnerstag dafür aus, den Bau der Sperranlage zum Westjordanland zu stoppen, falls die palästinensischen Anschläge auf Israelis aufhören. Wenn der „Terrorismus“ aufhöre, müsse Israel den Bau der Sperranlage einstellen, sagte Katzav der israelischen Tageszeitung „Maariv“. Dies sei im Interesse beider Seiten, erklärte er: „Die Sperranlage kostet uns viel Geld, schafft internationale Spannungen und komplexe juristische Probleme.“

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in den Haag hatte den Bau im Juli für illegal erklärt und den Abriss sowie Entschädigungszahlungen für enteignete Palästinenser verlangt. Israel sieht die Sperranlage als „Schutzwall gegen den Terrorismus“, die Palästinenser sprechen von einer „Apartheidsmauer“.

Für kurzzeitige Aufregung sorgte ein Bericht der britischen BBC, demnach der EU-Außenbeauftragte Javier Solana ein Geheimtreffen mit Vertretern der radikalen Palästinenserorganisation Hamas gehabt haben soll. Solana dementierte diesen Bericht umgehend: Er habe „zu keiner Zeit direkte Kontakte zur Hamas oder zu irgendeiner anderen Organisation unterhalten, die auf der EU-Terrorliste steht“, erklärte das Büro des Außenbeauftragten in Brüssel. Wenn Solana sich in der Vergangenheit zur Hamas geäußert habe, so hätten diese Stellungnahmen auf Erkenntnissen basiert, die Regierungen und andere Vertreter vor Ort im Nahen Osten gesammelt hätten. Er habe damit nicht den Eindruck erwecken wollen, als ob es direkte Kontakte gegeben habe.

Die BBC hatte zuvor auf ihrer Website berichtet, Solana habe vor einigen Monaten bei einem Geheimtreffen mit Hamas-Vertretern versucht, die Organisation zu einem Ende ihrer Gewaltaktionen zu bewegen. Solana sei mit der Hamas zusammengetroffen, obwohl sie von der EU und der USA als terroristische Gruppe eingestuft wird. Die radikalislamische Bewegung ist für dutzende anti-israelische Anschläge mit hunderten Todesopfern verantwortlich.

Im südlichen Gazastreifen schoss ein israelischer Panzer am Donnerstag auf eine Gruppe Palästinenser, die kurz zuvor eine Moschee verlassen hatten. Ein Mann wurde tödlich getroffen, ein weiterer verletzt, wie palästinensische Sicherheitskräfte mitteilten. Der Vorfall ereignete sich in Rafah nahe der Grenze zu Ägypten. Nach Angaben der Hamas handelt es sich bei dem Getöteten um eines der Mitglieder der radikalen Organisation. Zwei weitere Hamas-Mitglieder wurden nach einem israelischen Radiobericht bei einem Militäreinsatz in Hebron im Westjordanland getötet.

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