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Israel: Abbas reagiert abweisend

Die Palästinenser haben abweisend auf den Vorschlag des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon reagiert, seinen Gaza-Abzugsplan in Koordination mit der künftigen Palästinenser-Führung umzusetzen.

„Die Palästinenser werden den Gaza-Abzugsplan nur mit Israel koordinieren, wenn dieser im Rahmen der Road Map vollzogen wird“, sagte am Donnerstag PLO-Chef Mahmud Abbas. Er gilt als Favorit für die Wahl zur Nachfolge des verstorbenen Palästinenser-Präsidenten Yasser Arafat.

Die Umsetzung des als Road Map bezeichneten Nahost-Friedensplans liegt seit langer Zeit auf Eis, Sharon will seinen Plan jedoch bis Ende 2005 unabhängig davon umsetzen. Er sieht die Räumung aller 21 jüdischen Siedlungen im palästinensischen Gaza-Streifen und vier der 120 Siedlungen im Westjordanland vor.

Sharon hatte am Donnerstag gesagt, eine Abstimmung mit den Palästinensern könne den Weg für ein umfassenderes Friedensabkommen ebnen. Der Tod Arafats am 11. November habe eine Chance eröffnet, neue Palästinenser-Führer hervorzubringen, die für eine Einigung mit Israel bereit seien. Wir stehen vor einem einmaligen Fenster der Möglichkeiten. Wer weiß, wann wir diese Gelegenheit in der Zukunft wieder haben werden. Wir dürfen diese Gelegenheit, eine Einigung zu erzielen, nicht versäumen“, sagte Sharon.

Bei den Palästinensern waren die Äußerungen umgehend auf Ablehnung gestoßen. „Das Hindernis für Frieden war nicht Yasser Arafat, sondern Sharons Bedingungen und Vorgaben“, sagte der palästinensische Minister Saeb Erekat.

Nahost-Expertin: Gaza nach Abzug Israels „größtes Gefängnis der Welt“

Der Gaza-Streifen droht zum „größten Gefängnis der Welt“ zu werden, sollte der Plan des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon verwirklicht werden, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen. Das erklärte die deutsche Nahost-Expertin Helga Baumgarten am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen. Der Gaza-Streifen sei dann isoliert vom Rest des palästinensischen Gebietes. Im Westjordanland blühe ein „Apartheid-System“: Die palästinensische Führung würde eher für die Sicherheit der israelischen Siedlungen sorgen müssen anstatt sich um palästinensische Belange zu kümmern.

Auf den Nachfolger des verstorbenen palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat warteten drei Aufgaben, betonte Baumgarten: Er müsse das Ende der israelischen Besatzung erreichen, einen unabhängigen palästinensischen Nationalstaat schaffen und einen Weg zur Koexistenz mit Israel finden. Den derzeitigen PLO-Chef Mahmud Abbas sieht die Politikwissenschaftlerin in schwacher Stellung, nach innen und nach außen hin. Er gilt als der aussichtsreichste Kandidat bei den Anfang Jänner geplanten Präsidentschaftswahlen. Es erhebe sich die Frage, ob Abbas im Falle eines Wahlsieges zusammen mit Ariel Sharon einen palästinensischen Staat schaffen könne, so Baumgarten.

Zur Bedeutung Arafats sagte die Nahost-Expertin, einige seiner Erfolge seien zugleich Misserfolge gewesen. So habe der bewaffnete Befreiungskampf in Palästina nicht zum Erfolg geführt und auch nach 1993 – nach der Anerkennung der PLO durch Israel in Oslo – habe die israelische Besatzung angedauert. Die Intifada bezeichnete sie als kontraproduktiv. Der palästinensische Kampf müsse gewaltlos fortgeführt werden. Baumgarten warf Israel vor, eine Politik der Dämonisierung und Delegitimierung Arafats verfolgt zu haben, der sich später auch US-Präsident George W. Bush mit seiner Forderung angeschlossen habe, auf „demokratische Weise“ eine neue palästinensische Führung zu suchen.

Der Generaldirektor des palästinensischen Legislativrates (Parlament) in Ramallah, Mahmoud Labadi, sagte, der Kampf der Palästinenser müsse weitergehen, da Israel ihnen keinen andere Ausweg lasse. Er räumte ein, dass die Palästinenser Israel in der Vergangenheit wiederholt provoziert hätten. Abbas traue er es zu, das Erbe Arafats als neuer Palästinenserführer anzutreten.

Wichtig sei, dass sich die Palästinenser nicht auf die arabischen Staaten verließen, sondern selbst initiativ würden, so Labadi weiter. Ein wichtiger Erfolg Arafats sei es gewesen, dass die Palästinenser das so genannte „Etappenprogramm“ angenommen hätten: Es sehe eine Staatsgründung in jedem Gebiet vor, das von den Israelis geräumt werde. Somit sei man der Zwei-Staaten-Lösung näher gekommen.

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