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Israel: „Quartett“ will „Fahrplan“ retten

Unter dem Eindruck der neuen Eskalation der Gewalt tritt UNO-Generalsekretär Kofi Annan für die Entsendung bewaffneter Friedenstruppen in den Nahen Osten ein.

Das so genannte Quartett – USA, UNO, EU und Russland – will versuchen, den „Fahrplan“ (Roadmap) zu retten, der sich immer mehr als Totgeburt zu erweisen droht. Sein Ziel ist die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates bis 2005. Die israelische Armee ist offenbar darauf aus, die radikale Palästinenser-Organisation Hamas zu zerschlagen. Diese hat den USA vorgeworfen, den von ihr als „Verbrecher“ bezeichneten israelischen Premier Ariel Sharon „zum Krieg gegen das palästinensische Volk zu ermutigen“.

Zur Eindämmung der Gewalt dürfte die Präsenz von US-Beobachtern nicht ausreichen, meinte der UNO-Generalsekretär in einem am Freitag von der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ veröffentlichten Interview. Sei der Teufelskreis der Gewalt einmal durchbrochen, wären entsprechende Beobachter sinnvoll. „In der Zwischenzeit würde ich gerne eine bewaffnete Friedenstruppe als Puffer zwischen Israelis und Palästinenser agieren sehen“, sagte Annan der Zeitung in New York. Für die Entsendung von NATO-Truppen in den Nahen Osten hatte sich der republikanische US-Senator und Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, John Warner, ausgesprochen. Die Lage sei „außer Kontrolle“, sagte Warner am Mittwoch in Washington. Eine international zusammengesetzte NATO-Truppe unter Einschluss von US-Soldaten sollte daher in dem Krisengebiet stationiert werden, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.

Seit dem Nahost-Gipfel in der jordanischen Stadt Akaba am 4. Juni, bei dem die Roadmap auf den Weg gebracht worden war, kamen mehr als 60 Menschen bei palästinensischen Anschlägen und israelischen Raketenangriffen ums Leben. Das Nahost-Quartett will nach US-Angaben in der kommenden Woche in Jordanien zusammenkommen. Israel bekräftigte am Freitag seinen verschärften Kurs gegen palästinensische Extremisten. Auch Hamas-Funktionäre, die in den 32 Monaten der zweiten Intifada nicht für „gezielte Tötungen“ vorgesehen gewesen wären, seien nun „legitime Ziele“, hieß es am Freitag in israelischen Regierungskreisen. Auch der an den Rollstuhl gefesselte Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin wurde als mögliches Ziel genannt. Am Dienstag schlug ein israelischer Tötungsversuch gegen Hamas-Sprecher Abdelaziz Rantisi in Gaza fehl, der international auf scharfe Kritik stieß. Selbstmordanschläge und weitere israelische Raketenangriffe folgten ebenso wie Kampfansagen auf beiden Seiten.

Unter Berufung auf hochrangige Militärs berichtete der israelische Rundfunk am Freitag, der „Krieg gegen Hamas“ werde jetzt „ohne Zugeständis und ohne Einschränkung“ geführt. Verteidigungsminister Shaul Mofaz hatte die Streitkräfte angewiesen, „mit allen Mitteln“ gegen die Terrororganisationen vorzugehen. Armee und Sicherheitsdienste hätten einen entsprechenden Angriffsplan gegen Hamas bereits vor mehreren Monaten ausgearbeitet, meldete der Sender. Wegen der Roadmap-Diskussionen sei der Plan jedoch zunächst nicht ausgeführt worden. Vize-Verteidigungsminister Zeev Boim sagte im Armeerundfunk, es sei „nicht möglich, zwischen politischen und militärischen Führern von Hamas zu unterscheiden“. Sie seien „alle in den Terrorismus verwickelt“.

Israelische Besatzungssoldaten haben am Freitagmorgen das Haus der Familie des Selbstmordattentäters zerstört, der sich am Mittwoch in Jerusalem in die Luft gesprengt und dabei 17 Menschen mit in den Tod gerissen hatte. Der Selbstmordattentäter gehörte der Hamas an und kam aus der Stadt Hebron im Westjordanland, meldete der israelische Rundfunk. Die Armee zerstörte zudem das Haus der Familie eines Mitglieds der radikalen Al-Aksa-Märtyrerbrigaden im Südwesten von Hebron. Mit der Zustimmung zum Friedens-Fahrplan hatte sich Israel auf dem Gipfel von Akaba verpflichtet, auf völkerrechtswidrige Kollektivstrafen in den besetzten Gebieten zu verzichten. Dazu gehören auch Häuserdemolierungen.

Hamas-Sprecher Ismail Abu Shanab sagte, die jüngsten Erklärungen der US-Führung dienten lediglich dem Zweck, „neuerliche zionistische Angriffe zu fördern und Öl ins Feuer zu gießen“. Das Weiße Haus hatte Hamas am Donnerstag für den jüngsten Ausbruch der Gewalt verantwortlich gemacht. US-Präsidentensprecher Ari Fleischer sagte:
„Die Terroristen sind die Hamas“ und fügte hinzu: „Sie sind laut dem Urteil des Präsidenten die Feinde des Friedens.“ Die Hamas hat am Donnerstag alle Ausländer zum sofortigen Verlassen Israels aufgefordert. „Wir rufen alle ausländischen Bürger auf, sofort das zionistische Gebilde (Israel) zu verlassen, um ihr Leben zu retten“, hieß es in dem Aufruf.

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