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Islam-Kritik und Islam-Feindlichkeit wie "Kraut und Rüben vermischt"

Islamkritik und Islamophobie werden laut Experten gerne vermischt.
Islamkritik und Islamophobie werden laut Experten gerne vermischt. ©APA/HANS KLAUS TECHT
Islamophob oder islamkritisch? Die Begriffe werden laut Experten gerne vermischt und missbräuchlich verwendet. Bei einer Diskussion in Wien wurde am Dienstag nach Gründen für die schwierige Auslegung gesucht.

Mit dem Begriff "Islamophobie" und dessen missbräuchlicher und falscher Verwendung haben sich Kenner des Islam Dienstagabend in einer Diskussion in Wien auseinandergesetzt. Unwissenschaftlicher Terminus, ungleiche Maßstäbe bei Religionen, Vermischung mit Menschenrechten - so lauteten die Argumente.

Zu der vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) organisierten Podiumsdiskussion hatte die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) trotz mehrfacher Anfrage des Veranstalters keinen Vertreter entsandt. Einig waren sich die Diskutanten - der französische Philosoph Pascal Bruckner, die Politologin Nina Scholz und der pensionierte Diplomat Gerhard Weinberger - aus diversen Gründen in der Ablehnung des Begriffs. Zugleich wurde Kritik am weithin umstrittenen Europäischen Islamophobie-Bericht geübt. Namhafte Experten hatten sich in dieser Sache in einem offenen Brief an die EU-Kommission gewandt.

Messen mit zweierlei Maß

Bruckner - Verfasser des Buchs "Ein imaginärer Rassismus - Der Streit um die Islamophobie" (2017) - erinnerte daran, dass der Begriff auf die französische Kolonialzeit in Nordwestafrika zurückzuführen ist, lange verpönt war und in jüngster Zeit wieder in Gebrauch kam. Heute werde der Terminus im Kontext mit Feindseligkeit interpretiert. In Europa werde "mit zweierlei Maß gemessen", kritisierte Bruckner: In Frankreich sei es gefährlich, den Islam anzugreifen, bis hin zu Todesdrohungen. Hingegen passiere im Fall einer Beleidigung der eigenen christlichen oder jüdischen Religion gar nichts.

Scholz führte ins Treffen, Islamophobie sein kein wissenschaftlicher Begriff; vielmehr werfe er Ressentiments gegen den Islam mit Menschenrechtsverletzungen in einen Topf. Der jährlich erscheinende Europäische Islamophobie-Report habe "nichts mit Wissenschaftlichkeit zu tun". Die Debatte werde nicht differenziert geführt. Sie plädiere für den Ausdruck "Feindseligkeit gegen Muslime". Im Vorjahr publizierte Scholz gemeinsam mit dem Historiker Heiko Heinisch das Buch "Alles für Allah - Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert".

Islam-Kritik politisch instrumentalisiert

"Demokratie muss viel aushalten", betonte die Politologin, die auch über Nationalismus und Antisemitismus forscht. Sie führte einen Vergleich in einer heiklen Materie an: Eine Diskussion über den Missbrauch von Jugendlichen, wie sie in der katholischen Kirche laufe, wäre im islamischen Raum, wo in Koranschulen auch Missbrauchsfälle vorkommen, einfach undenkbar. Andererseits werde Islam-Kritik politisch instrumentalisiert, wenn etwa Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan als "islamophob" verurteilt werde.

Weinberger, der Botschafter Österreichs im Senegal und in Tunesien war und sich dort intensiv mit dem Islam befasste, konstatierte "eine Vermischung von Islam-Kritik und Islam-Feindlichkeit". In dem Begriff "Islamophobie" würden "Kraut und Rüben vermischt". Hier werde "die Zielrichtung verfolgt, dass der Islam als ganzes nicht mehr kritisiert werden darf". Der Diplomat war in Tunis, als der Arabische Frühling ausbrach und die islamistischen Terroranschläge verübt wurden. Dies und auch die Reformbemühungen der Tunesier beschrieb er im Buch "Mit dem Koran ist kein Staat zu machen - Die Krise des Islam hautnah erlebt" (2018). Im Islamophobie-Bericht als Akteur eines islamophoben Netzwerks dargestellt zu werden, bedeute "Gefahr für Leib und Leben", sagte Weinberger.

Moderne Strömungen des Islam fördern

Bruckner plädierte dafür, in Europa die modernen Strömungen des Islam zu fördern. Der religiöse Islam sei ebenso in diverse Richtungen aufgesplittert wie der politische Islam gespalten sei. Tunesien führte der Philosoph, der auch als Gastprofessor in den USA lehrt, als positives Beispiel für den Versuch an, den Islam zu modernisieren. Zugleich sieht er die Entwicklung in seiner Heimat pessimistisch. Er sprach von "verfehlter Integration" in Frankreich, wo ein Zehntel der Bevölkerung, oft schon in 3. Generation, muslimisch sei, und warnte vor "innerem Separatismus".

Scholz verwies auf moderate, reformorientierte Islam-Wissenschafter, die in den eigenen Reihen angefeindet und bedroht werden. "Wir lassen uns oft erpressen mit dem Vorwurf, islamophob zu sein." Religionsrecht sei ein Grundrecht wie viele andere und müsse mit Demokratie vereinbar sein. Im Zusammenhang mit der Gefahr einer Islamisierung Europas betonte Weinberger, es gelte, Schulen und Eltern in die Pflicht zu nehmen. Bruckner erklärte das Faktum, dass Islamismus generell mit Rechts-Strömungen assoziiert werde, damit, dass die Linke den Islam oft als Religion der Unterdrückten hinstelle sowie an Kreuzzüge und Kolonialgeschichte erinnere.

(APA/Red)

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