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Iris Berben auf Lese-Tour

Schmal, sehr diszipliniert, mit Lesebrille sitzt Iris Berben an dem Bistro-Tischchen auf der Bühne und feilt am richtigen Ton.

Anne Franks schwärmerisches Sehnen, gefolgt vom weinerlichen Lamento des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels. „Es ist unglaublich, wie wehleidig dieser Kerl ist“, sagt Regisseur Michael Verhoeven, der gemeinsam mit der Schauspielerin ein engagiertes Projekt auf die Beine stellte.

Für die Theaterproduktion „Tagebuch der Anne Frank – Tagebücher von Joseph Goebbels – Verfemte Musik“ hat er sich eher widerwillig durch die Aufzeichnungen des Nazi-Ministers gelesen – und war überrascht von dessen Selbstmitleid. Am Samstag (6. April) startet Iris Berben ihre Deutschland-Tournee durch acht Städte in Pforzheim.

„Goebbels darf man nicht interpretieren, aber Anne möchte ich in ihrer Kindlichkeit, ihrem Enthusiasmus und ihrem Suchen zeigen“, beschreibt Iris Berben den Versuch, Angst aus der Täter- und der Opferperspektive zu konfrontieren. Sie liest die hellwachen, sensiblen Tagebucheintragungen des in einem Amsterdamer Hinterhaus versteckten jüdischen Mädchens im Wechsel mit den larmoyanten Notizen Goebbels’. Zum Teil stammen sie vom selben Tag. Einziger Kommentar sind Melodien Hollaenders, Weills und Mendelssohn-Bartholdys, vom Pianisten Peter Ludwig parallel zu den Zitaten des Mannes gespielt, der das Spielen der Musik dieser Komponisten verbot.

Die Probenatmosphäre auf der Bühne des Münchner Lustspielhauses ist ruhig und konzentriert. Seit Stunden arbeiten Regisseur und Schauspielerin an Text und Nuancen. „Es wird alles andere als ein Abend, der sich leicht verkaufen lässt“, sagt Berben. „Die Verpackung wird immer wichtiger – wir können uns nur auf den Inhalt stützen.“ Iris Berben versteht die Theatertournee (Produktion: Carpe artem) auch als Ausdruck ihrer Haltung. Einer Haltung, die sie mit Verhoeven teilt.

In seinen Filmen („Die weiße Rose“, „Das schreckliche Mädchen“) hat er sich immer wieder mit der NS-Vergangenheit auseinander gesetzt. Berben, die in der Öffentlichkeit auch als Inbegriff erotischer Ausstrahlung gilt, ist für ihr gesellschaftliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Die in München lebende Schauspielerin nutzt ihre Prominenz ganz pragmatisch, um sich mit Aktionen wie „Gesicht zeigen“ gegen Fremdenhass stark zu machen oder sich mit Lesungen aus Annette Wieviorkas „Mama, was ist Auschwitz?“ der Erinnerung an die Vergangenheit zu stellen.

Ihre Beziehung zum Judentum ist eine besondere. Nicht nur, weil Iris Berben seit 27 Jahren mit einem Israeli zusammen lebt. „Initialzündung war mein erster Besuch in Israel vor 30 Jahren“, erzählt die 51-Jährige. In Gesprächen mit Überlebenden der Shoah habe sie dort begonnen, sich mit der Geschichte ihres eigenen Landes auseinander zu setzen. Eine Verantwortung, der sie sich bis heute verpflichtet fühlt. „Es gibt genügend Situationen in diesem Land, die uns zwingen zu reagieren“, sagt Berben, die im Herbst vom Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet wird. Die Schauspielerin erhält, wie sie berichtete, immer wieder Schmähbriefe von Neonazis mit Bedrohungen und Beschimpfungen. Auftritte von ihr stehen denn auch unter Polizeischutz.

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