Die Anreicherung sei Teil der geplanten Experimente zur Schließung des atomaren Brennstoffkreislaufs, zitierte in Wien ein Diplomat aus einem Bericht von IAEO-Chef Mohammed ElBaradei. Teheran habe der IAEO erklärt, dass die Urananreicherung nur im begrenzten Ausmaß erfolgen solle.
Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO/IAEA), Mohammed ElBaradei, hat am Dienstag die Entscheidung Teherans kritisiert, die seit Dezember 2004 ausgesetzten Arbeiten zur Urananreicherung wieder aufzunehmen, bevor die UNO-Atombehörde völlige Klarheit über das iranische Atomprogramm habe. ElBaradei betonte in einer Erklärung am Nachmittag, dass die Aussetzung (der Anreicherung), die Wiederaufnahme des Dialogs mit allen betroffenen Seiten und die nötige Zusammenarbeit und Transparenz gegenüber der IAEO Bedingungen für eine umfassende und gerechte Lösung des Atomstreits seien.
ElBaradei bestätigte in der Erklärung, dass der Iran am Dienstag die Siegel an drei Atomanlagen entfernt habe, darunter auch Bereiche mit Gaszentrifugen zur Urananreicherung im Atomzentrum Natanz. Teheran will dort nach eigenen Angaben in einer Pilotanlage bestimmte Anreicherungstechniken zu Forschungszwecken testen. Außerdem wurden die Atomanlagen Pars Trash und Farayand Technique geöffnet, hieß es in der Erklärung der UNO-Atombehörde. Die von iranischen Technikern geplanten Arbeiten sollen unter Aufsicht von IAEO-Inspektoren stehen.
Der Gouverneursrat der IAEO hatte Teheran im vergangenen Jahr mehrfach aufgefordert, auf die Urananreicherung dauerhaft zu verzichten, weil damit auch spaltbares Material für Atombomben hergestellt werden kann.
Iran verärgert Feind und Freund
Im Mittelpunkt des Streits steht die Urananreicherung, ein Prozess, der neben der Herstellung von Kernbrennstoffen auch der Produktion von Atomwaffen dienen kann. Auf internationalen Druck hatte der Iran die Urananreicherung im Oktober 2003 ausgesetzt. Mit der Wiederaufnahme der Atomforschung will Teheran nun aber auch wieder in begrenztem Umfang Uran anreichern, wie die Internationale Atomenergiebehörde IAEA am Dienstag mitteilte. Die Anreicherung sei Teil der geplanten Experimente zur Schließung des atomaren Brennstoffkreislaufs. Die iranische Regierung beharrt darauf, die Anreicherung von Uran sei ihr gutes Recht und durch den Atomwaffensperrvertrag gedeckt, da ihr Nuklearprogramm rein friedlichen Zwecken diene. Die Zweifel daran hat Teheran freilich selbst geschürt: Jahrzehntelang wurde das iranische Atomprogramm geheim gehalten, die nötigen Geräte und Materialien wurden auf dem Schwarzmarkt besorgt. Zudem stellt sich die Frage, ob der Iran mit seinen großen Öl- und Erdgasvorräten tatsächlich Kernkraftwerke benötigt.
Die IAEA (IAEO) inspizierte erstmals im Februar 2003 iranische Nuklearanlagen. Seither haben ihre Inspektoren zwar keinen rauchenden Colt, also keinen eindeutigen Beweis, für ein geheimes Atomwaffenprogramm entdeckt – aber jede Menge Argumentationshilfen für die USA und andere Staaten, die ein solches Programm vermuten. Gefunden wurden unter anderem Zeichnungen von Gegenständen, die wie Teile von Sprengköpfen aussehen. Nach Angaben der IAEO hat der Iran auch die Herstellung von waffenfähigem Plutonium eingeräumt. Hinzu kommt, dass Teherans Bereitschaft zur Aufklärung zu wünschen übrig lässt. Selbst der normalerweise zurückhaltende Direktor der IAEO, Mohamed ElBaradei, zeigte sich am Dienstag gereizt: Ich verliere allmählich die Geduld, die internationale Gemeinschaft verliert die Geduld, sagte er dem britischen Sender BSkyB.
Auch China und Russland, bisher im Atomstreit die Anwälte Teherans, zeigten sich nach Angaben von US-Vertretern über den jüngsten Schritt der iranischen Regierung verärgert. Peking und Moskau hätten dem Iran dringend von einer Wiederaufnahme der Atomforschung abgeraten und seien sehr verdrossen darüber, dass ihre Empfehlungen in den Wind geschlagen wurden, hieß es. Bisher hatten sich China und Russland stets dagegen ausgesprochen, den UNO-Sicherheitsrat in den Streit einzuschalten. Gegen den Widerstand der beiden Vetomächte wäre eine Anrufung des höchsten UNO-Gremiums sinnlos, da sie Sanktionen gegen den Iran blockieren könnten. Sollten Peking und Moskau nun aber ihre Haltung ändern, so könnten die USA und ihre Verbündeten einen neuen Anlauf zur Einschaltung des Weltsicherheitsrats starten.
Der britische Premierminister Tony Blair ließ am Dienstag bereits über einen Sprecher erklären, seine Regierung schließe einen solchen Schritt nicht mehr aus. Washington erklärte, wenn der Iran weiter gegen seine internationalen Verpflichtungen verstoße, gebe es zur Einschaltung des Sicherheitsrates keine Alternative. Und auch die deutsche Bundesregierung, die sich bisher mit Großbritannien und Frankreich um eine diplomatische Beilegung des Konflikts bemüht hatte, drohte mit Konsequenzen: Außenminister Frank-Walter Steinmeier stellte die für den 18. Jänner geplante Fortsetzung der Gespräche in Frage. Er werde noch in dieser Woche mit den Außenministern Frankreichs und Großbritanniens beraten, ob unsere Verhandlungen der EU-Drei eine weitere Grundlage haben, sagte der SPD-Politiker. Sollten sie diese Frage mit Nein beantworten, so bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten. Schon vor dem Bruch der Siegel an mehreren iranischen Atomforschungsanlagen hatte US-Außenministerin Condoleezza Rice erklärt: Wenn klar wird, dass der Verhandlungsweg erschöpft ist, haben wir die Stimmen um den Iran vor den Weltsicherheitsrat zu bringen.