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Irakische Schiiten auf Konfrontationskurs

Die Schiiten haben den Besatzungsmächten mit offener Konfrontation gedroht, falls ihre Forderung nach Abhaltung allgemeiner Wahlen weiter ignoriert werden sollte.

Die USA widersetzen sich einer Direktwahl, da eine solche automatisch zu einer absoluten Schiiten-Mehrheit in der geplanten Übergangsversammlung führen würde. US-General Ricardo Sanchez hat unterdessen einen Anstieg der Selbstmordrate unter den im Irak stationierten amerikanischen Soldaten eingestanden. US-Zivilverwalter Paul Bremer wurde am Freitag zu einer Krisensitzung im Weißen Haus in Washington erwartet.

Die höchste theologische Autorität der irakischen Schiiten, Großayatollah Ali Sistani, erwägt die Herausgabe einer „Fatwa“ (religiöses Rechtsgutachten), die es den Gläubigen verbieten würde, den von den USA eingesetzten provisorischen „Regierungsrat“ zu unterstützen, wie der arabische TV-Sender Al Jazeera (Katar) am Freitag meldete. „Die geistlichen Autoritäten haben die Leute bisher von jeder Spannung und Konfrontation fern gehalten“, zitierte der Sender den Ayatollah Mohammed Bakr al Mahri. Sollte der Großayatollah aber eine entsprechende „Fatwa“ aussprechen, würden die Menschen auf die Straße gehen und gegen die Koalitionstruppen protestieren.

US-Verwalter Paul Bremer lehnt bisher jede Änderung einer Vereinbarung mit dem „Regierungsrat“ vom 15. November ab. Demnach sollen von der Besatzungsmacht ernannte Provinzvertreter die Mitglieder der Übergangsversammlung bestimmen. Aufgabe der Versammlung ist es, bis Ende Juni eine Übergangsregierung einzusetzen, der am 1. Juli die volle Entscheidungsgewalt übertragen werden soll. Sistani besteht jedoch auf Wahlen. Am Donnerstag hatten Zehntausende Menschen in der südirakischen Stadt Basra für allgemeine Wahlen demonstriert.

Die US-Armee im Irak bemühe sich, mit geeigneten Maßnahmen gegen das Selbstmord-Phänomen in ihren Reihen vorzugehen, sagte General Sanchez am Freitag vor der Presse in Bagdad. „Dies ist angesichts der Umstände, unter denen wir hier sind, notwendig“, fügte er hinzu. Seit Kriegsbeginn haben sich nach US-Medienberichten 21 Angehörige der Armee und der Marineinfanterie im Irak das Leben genommen.

Bremer sollte am Freitag in Washington mit Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, Außenminister Colin Powell sowie vermutlich mit US-Präsident George W. Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zusammentreffen. Am Montag soll in New York ein Gespräch mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan und Vertretern des irakischen „Regierungsrates“ folgen.

In Bagdad wurde unterdessen ein Flugzeug mit dem georgischen Verteidigungsminister David Tewsadse an Bord beschossen. Wie der Minister am Freitag erklärte, endete der Angriff am Donnerstagabend erst, als US-Soldaten einen Hubschrauber aufsteigen ließen. Verletzt worden sei niemand. Tewsadse hielt sich zwei Tage im Irak auf, wo er Soldaten seines Landes besuchte.

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