AA

Iraker wollen Saddam nicht den USA überlassen

Neun Monate nach dem Einmarsch von US-Truppen in Bagdad nehmen die Spannungen zwischen den Irakern und der Besatzungsmacht weiter zu.

Der von den USA eingesetzte irakische Regierungsrat kritisierte scharf die Entscheidung, dem gestürzten Staatschef Saddam Hussein den Status eines Kriegsgefangenen zu geben. Zu schweren Unruhen kam es am Wochenende in der Stadt Amarah, wo sechs Demonstranten erschossen wurden.

Der irakische Justizminister im Regierungsrat, Hascim Abdul Rahman, bekräftigte die Entschlossenheit des Gremiums, selbst über das Schicksal von Saddam Hussein zu befinden. Die Erklärung des US-Verteidigungsministeriums zum Status des Ex-Präsidenten sei eine politische Angelegenheit und eine reine Meinungsäußerung, aber keine juristische Entscheidung. „Wir betrachten Saddam als Verbrecher, und auf dieser Grundlage wird es einen Prozess gegen ihn geben“, sagte ein weiteres Mitglied des Regierungsrats, der ehemalige Richter Dara Nor el Din.

Das US-Verteidigungsministerium erklärte, dass Saddam Hussein mit seiner Festnahme vor vier Wochen automatisch zum Kriegsgefangenen geworden sei. Schließlich sei er Oberbefehlshaber der irakischen Streitkräfte gewesen, erklärte ein Pentagon-Sprecher am Freitag. Die Genfer Konventionen verbieten jede Ausübung von Zwang auf inhaftierte Kriegsgefangene. Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit können sie nur vor einem internationalen Tribunal oder einem Gericht des Besatzungsstaates angeklagt werden – das wären in diesem Fall die USA.

Bei Unruhen in der Stadt Amarah, 320 Kilometer südöstlich von Bagdad, wurden am Samstag nach Angaben eines Arztes sechs Menschen erschossen und mindestens elf verletzt. Mehrere hundert Demonstranten versammelten sich vor dem Sitz der britischen Besatzungstruppen und forderten, die Verwaltung solle ihr Versprechen einlösen und ihnen Arbeit verschaffen. In Bedrängnis geraten, feuerten irakische Polizisten auf die Demonstranten.

Danach schritten britische Soldaten ein und wurden aus der Menge mit Brandsätzen beworfen. Dabei seien zwei Angreifer erschossen worden, wie eine britische Militärsprecherin mitteilte. Am Sonntag führten Unterhändler der Demonstranten zunächst Gespräche mit britischen und irakischen Offiziellen. Später warfen mehrere hundert Demonstranten Steine auf britische Soldaten, die mit Schlagstöcken gegen die Menge vorgingen.

Ein Iraker mit ständigem Wohnsitz in den USA wurde am Samstag in Basra zusammen mit einem zweiten Mann erschossen aufgefunden. Er arbeitete mit der Besatzungsverwaltung zusammen, weshalb die Behörden von politischen Motiven ausgingen.

In der nordirakischen Stadt Kirkuk erschossen US-Soldaten nach Militärangaben vom Samstag zwei irakische Polizisten, die sie für bewaffnete Widerstandskämpfer hielten. Die Soldaten gaben zunächst Warnschüsse ab und schossen anschließend gezielt.

Dänische Soldaten entdeckten in der irakischen Wüste südlich von Bagdad ein Waffenversteck mit 36 Mörsergranaten, die nach ersten Untersuchungen einen chemischen Kampfstoff enthielten. „Alle Instrumente zeigen Anzeichen für dasselbe chemische Gemisch an, und zwar gasförmige Hautkampfstoffe“, teilte die dänische Armee am Samstag auf ihrer Internetseite mit. Sie wies jedoch zugleich darauf hin, dass weitere Tests ausstünden, deren Ergebnisse voraussichtlich in etwa zwei Tagen vorliegen würden.

Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Überreste aus dem 1988 beendeten Krieg zwischen dem Irak und dem Iran. 1988 wurden in der nordirakischen Stadt Halabja rund 5.000 kurdische Bewohner bei einem Giftgaseinsatz getötet.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Iraker wollen Saddam nicht den USA überlassen
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.